Tiffany Lieben & Lachen Band 0008 (German Edition)
verstand seine Andeutungen: Es gab viele gute Möglichkeiten, um seine Zeit zu verbringen. Weniger gut war es, die ganze Zeit bis an die Grenze der Belastbarkeit zu gehen. Sie gab zu, dass ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit für sie genauso wünschenswert war wie mehr Streicheleinheiten von ihrem Ehemann.
Aber Melinda wusste eins: Die Balance zwischen Beruf und Privatleben war nicht während der Zusammenarbeit mit Bowen zu erreichen. Gleich nach ihrem freien Tag hatte sie eine Sechsunddreißig-Stunden-Schicht absolvieren müssen. Gefolgt von noch einer.
Bevor Jack in ihrem Leben aufgetaucht war, war sie bei der vielen Arbeit erst richtig aufgeblüht. Vor ihm hatte sie an nichts anderes als Chirurgie gedacht. Daran, Leben zu retten. Jetzt bemerkte sie, dass sie immer öfter über die Qualität der Leben nachdachte, die sie rettete. Und über die Qualität ihres eigenen Lebens.
Es war ziemlich mies. Und ziemlich einsam.
Quatsch. Sie hatte einen Ehemann zu Hause – einen Mann, der zwar nicht an wahrer Liebe und an einer echten Ehe interessiert war, dessen Körper jedoch durchaus Interesse zeigte.
Doch woran? An ihr? Oder nur an Sex im Allgemeinen? Und wollte sie es herausfinden? Und wie, wenn sie immer hier in diesem verdammten Krankenhaus festsaß?
Am Freitag, eine Woche nach ihrem Ausflug nach Canton, brütete sie noch immer über dieser Frage, als die Assistenten sich um einen Videomonitor versammelt hatten, um sich die Aufzeichnung eines chirurgischen Eingriffs anzusehen.
Bobson und Svoboda hatten eine Gaumenspalte operiert; jetzt ließ Bowen die ganze Gruppe ihre Arbeit noch einmal ansehen. Jede Bewegung, jeder Schnitt wurde genauestens unter die Lupe genommen.
“Nun, Burke? Möchten Sie an der Diskussion teilnehmen?”, fuhr Bowen sie an.
“Eigentlich nicht”, platzte Melinda heraus. “Ich würde lieber nach Hause gehen und mich ein wenig erholen, damit ich morgen wieder frisch bin.”
“Das hier ist ein Trainingsprogramm, Burke”, entgegnete Bowen autoritär.
Diesen Satz hatte Melinda schon häufig gehört. “Das soll es sein”, stimmte sie zu, “aber hierbei geht es nicht um chirurgische Techniken. Wir versuchen nachzuvollziehen, was die Ärzte gedacht haben. Warum? Es sind gute Ärzte. Sie mussten schnelle Entscheidungen treffen – und das haben sie getan. Okay, ich hätte vielleicht ein oder zwei Sachen anders gemacht – na und? Der Gaumen des Mädchens ist wieder in Ordnung, ihr Zustand stabil.”
Man hätte die Spannung im Raum mit einem stumpfen Skalpell schneiden können. Keiner der anderen Assistenzärzte wagte es, Melinda nur anzusehen.
Feiglinge, dachte Melinda, während sie darauf wartete, dass Bowen ausrastete.
Er schaute auf seine Uhr. Dann, nach einer langen Pause, sagte er: “Sie haben recht. Es ist spät. Gute Nacht.”
Wie Zombies verließen die geschockten Assistenzärzte schweigend das Zimmer. Nur dass sie sich sehr viel schneller als Kino-Zombies bewegen, dachte Melinda, während sie den anderen folgte.
“Hey, Burke.” Dr. Bowen hielt sie auf. “Einen Moment noch.”
Melinda drehte sich um und wartete. Interessant, dass er sich zurückgehalten hatte, bis die anderen gegangen waren. Öffentliche Demütigungen waren Bowens Stärke.
“Ich weiß, dass ich meine Assistenzärzte hart rannehme.”
Da das weder eine Entschuldigung noch eine Frage war, nickte Melinda lediglich.
“Ich versuche, Sie nicht nur technisch, sondern insgesamt auf das Leben als Kinderchirurgen vorzubereiten. Dabei geht es nicht nur um das Herausnehmen von Mandeln und um dicke Gehälter, wissen Sie.” Bowen schob die Hände in seine Taschen. “Ich wähle meine Assistenzärzte ebenso nach ihrer Engagiertheit wie nach ihren Fertigkeiten aus. Mein Ansatz ist darauf angelegt, Ihnen bewusst zu machen, welche Opfer Sie bringen müssen.”
Das war ihm wirklich gelungen. Doch er hatte recht, also hielt Melinda den Mund.
“Ich habe zwei Söhne”, sagte Bowen und schaute auf den Linoleumboden. Erstaunt erkannte Melinda, dass er eher schuldbewusst als wütend aussah. “Und eine Exfrau. Alle drei geben mir die Schuld am Auseinanderbrechen unserer Familie.”
Trieb er deshalb seine Assistenzärzte wie Sklaven an? Nicht so sehr besessen von chirurgischer Perfektion, sondern um seine eigenen Unzulänglichkeiten zu vertuschen?
Nein, das konnte nicht sein.
Bowen schaute sie an. Seine Gesichtsmuskeln verkrampften sich – nein, das war ein Lächeln! “Ich glaube natürlich
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