Tiffany Lieben & Lachen Band 0010
wo sie allein sein könnte.
Max sah auf den Kalender an der Wand. Es ist Samstag, dachte er und hätte vor Freude in die Luft springen können. Der Tag der Erlösung.
Beim Frühstück sagte er: “Wer will mit mir nach San Angelo fahren, um das Kindermädchen abzuholen?”
“Du meinst die Kreatur, die mein Zimmer bekommt?” Kirstin warf ihr langes Haar zurück. “Ich nicht!”
Bis jetzt hatte Melissa eine ähnliche Haltung an den Tag gelegt. Als sie jedoch sah, wie Max ihre Cousine finster ansah, änderte sie den Kurs. “Ich werde mitkommen, Daddy. Ich bin sicher, Miss Verano ist sehr nett.”
“Ich auch!”, sagte Griffin.
“Ihr versucht beide, mich schlecht aussehen zu lassen!” Kirstins Unterlippe zitterte.
“Das ist nicht besonders schwer”, sagte Melissa.
“Wann geht es los, Dad?”, wollte Griffin wissen.
Max sah auf die Uhr. “Jetzt. Alle an Bord!”
Während Kirstin mit verschränkten Armen sitzen blieb, standen die beiden jüngeren Kinder auf. Keines von ihnen bot an, beim Abräumen zu helfen, und dieses Mal wies Max sie nicht darauf hin.
Von jetzt an würde das Miss Veranos Aufgabe sein.
Nancy hatte gar nicht gewusst, dass diese Art Flugzeuge überhaupt noch existierte. Und nun saß sie auf dem Weg von Dallas ins Hinterland in einer niedlichen kleinen Propellermaschine. Die paar Dutzend Mitreisenden benahmen sich so, als wäre diese Art des Fliegens völlig normal.
Durch das Surren der Propeller fühlte sie sich in die Fünfzigerjahre zurückversetzt und hatte den Eindruck, eine Reise in die Vergangenheit zu machen. Instinktiv umklammerte sie ihren Laptop, als wäre er die letzte Verbindung zur Realität.
Worauf hatte sie sich nur eingelassen?
Mit großem Selbstvertrauen hatte sie ihren schnellen Abschied von Clair de Lune organisiert. Dekanin Pipp hatte zugestimmt, ihr Apartment den Sommer über einem Studenten unterzuvermieten. Die Post würde ihr zu einem Postfach, dass sie in Skunk Crossing einrichten musste, nachgeschickt werden. Es würde merkwürdig aussehen, wenn sie Post erhalten würde, die an Dr. Verano adressiert war.
Obwohl es Nancy widerstrebte, sich unter Wert zu verkaufen, hielt sie es für das Beste, den Rancher glauben zu lassen, dass sie Hayley sei. Um interessante Beobachtungen machen zu können, war es besser, wenn er von ihrem akademischen Hintergrund nichts ahnte.
Als die Maschine zum Anflug auf den Flughafen von San Angelo ansetzte, zitterte Nancy vor Nervosität. Sie wusste so gut wie nichts über das Rancherleben. Und ihr Wissen über Kindermädchen beschränkte sich darauf, dass die Kinder in “The Sound of Music” dem Kindermädchen etwas Widerliches auf den Stuhl gelegt hatten. Oder hatten sie es ins Bett gepackt?
Das Flugzeug landete sanft, und nachdem die Tür geöffnet worden war, überquerten die Passagiere das Rollfeld. Nancy schlug schwüle Luft entgegen.
Mitten in einer Gruppe wartender Menschen erspähte sie einen Mann und zwei Kinder, auf die die Beschreibung ihrer Schwester zutraf. Sie hatten sie noch nicht bemerkt, deshalb hatte Nancy Zeit, das Trio eingehend zu betrachten.
Das kleine Mädchen war mit ihren rotblonden Haaren eine richtige Attraktion. Der kleine Junge in kurzen Hosen und T-Shirt hatte ein süßes rundes Gesicht, obwohl er zweifellos Frösche in seinen Taschen versteckte.
Den Mann hatte sie sich ganz anders vorgestellt. Nancy hielt den Atem an und beschloss, ihren Artikel lieber für “Cosmopolitan” zu konzipieren als für eine der konservativeren Frauenzeitschriften. Nur der gebräunte Teint, die Jeans und das T-Shirt entsprachen ihrem Bild vom typischen Rancher. Ansonsten hatte er nichts mit dem muskelbepackten und wettergegerbten Flegel mit Bürstenschnitt gemein, den sie sich vorgestellt hatte.
Er war schlank und über eins achtzig groß. Die dichten braunen Haare ließen sein markantes Gesicht mit den hohen Wangenknochen weicher erscheinen. Sogar aus der Distanz konnte sie die Sanftheit in seinen dunkelbraunen Augen wahrnehmen. Sein voller Mund wirkte, als ob er lächeln wollte, es aber selten tat.
Der Blick des Mannes streifte sie, und er schaute genauer hin. Augenblicklich spürte Nancy mit allen Sinnen eine Verbindung und erschauerte.
Es wurde Zeit, hinzugehen und einen guten Eindruck zu machen. “Mr Richter?”, fragte sie. “Ich bin Miss Verano. Und das müssen Ihre Kinder sein. Nun, natürlich sind sie es. Wer sonst? Hatten Sie alle einen netten Flug? Ich meine, ich hatte einen.”
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