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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Nunen lächelte bitter. »Mein Hobby«, erklärte er. »Ich schreibe eine Rubrik in der VEKK-Vox …«
    »Der was?«
    »Der Zeitung des Vereins ehemaliger Korea-Kämpfer. Ich sammle typische Veteranenausdrücke, nicht nur aus Korea, sondern auch aus Indien, aus dem Libanon und so weiter. Wenn mir noch genügend Zeit im Leben übrig bleibt, will ich ein Veteranen-Wörterbuch daraus machen, sonst geht das alles irgendwann verloren. Ich habe auch schon einen Titel dafür: ›Von Pisang-Schiebern und Chai-Schlürfern‹.«
    »Pisang heißt Banane, soviel weiß ich noch.«
    »Und Chai wird der zuckersüße Tee im Libanon genannt.« Sein Lächeln verschwand. »Und was hast du sonst noch für mich?«
    Ich kurbelte das Fenster herunter und rauchte eine Gauloise, während er die Berichte von Brendel und Poelman las. Zum Schluss schlug er das Tagebuch seines Sohnes auf, klappte es aber praktisch sofort wieder zu.
    »Hast du das gelesen?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ich brauche es nicht mehr.«
    Er ließ das Heft auf seinem Schoß liegen, die Hände darauf gelegt, als wolle er es verbergen. »Was sollen wir jetzt unternehmen?«
    »Es wird nicht einfach sein, Davor Zukic aufzuspüren.«
    »Der Bosnier ist mir egal«, antwortete van Nunen. »Ich rede von den Mördern.« Er fasste an den Türgriff. »Du kannst mir jetzt ruhig deine Rechnung schicken.«
    »Und dann?«
    Sein Blick war kalt wie Eis. »Ich kann dir prophezeien, was passiert, wenn dieser Fall bei den Justizbehörden landet«, sagte er. »Nach dem, was in Srebrenica und im Kosovo passiert ist, ist niemand mehr scharf darauf, zehn Jahre zurückliegende Vorfälle aufzuklären, die sich in Bosnien zugetragen haben. Bis die irgendwann eine halb wegs vernünftige Klageschrift zu Papier gebracht haben, ist Grimshave selbst längst tot und begraben.« Er öffnete abrupt die Beifahrertür und stieg aus dem Wagen.
    Seine entschlossene Geste hatte etwas Beunruhigendes. »Vielleicht irren Sie sich«, entgegnete ich laut. »Die Zei ten, in denen das Militär seine schmutzige Wäsche unter Ausschluss der Öffentlichkeit gewaschen hat, sind jeden falls endgültig vorbei.«
    Van Nunen beugte sich zu meinem Fenster hinunter. »Mach dir mal keine Sorgen.« Er lächelte unfroh. »Schließlich bin ich schon ein alter Mann, nicht wahr?«

13
    Von meiner Amsterdamer Wohnung aus rief ich Fred Brendel an und schilderte ihm die Geschichte in groben Zügen. Ich faxte Poelmans Brief an seine Privatnummer, und wir verabredeten uns für den nächsten Tag.
    Ich fand eine Pizza im Gefrierfach des Kühlschranks und backte sie in einer Pfanne zu einem unappetitlichen Geschmier. Dazu entkorkte ich einen südafrikanischen Wein, der kaum besser schmeckte als die Pizza.
    Aber es lag nicht am Wein.
    Die Straße sah trostlos aus. Ich fühlte mich gehetzt. Die Wohnung war kalt und staubig, als sei sie unbewohnt. Die Makler waren bereits nach Hause gegangen. Von oben hörte man keine Geigenklänge; Setsuko spielte Mahler in Chicago.
    Stress ist ein unangenehmes Gefühl. Es sitzt irgendwo oben in der Brust, und manchmal kriecht es hinauf bis in die Kehle, begleitet von einem ekligen Geschmack. Es ist verbunden mit einer Art Unruhe und hat viel mit unerledigten Aufgaben zu tun, Schulden, die abbezahlt werden müssen, Verantwortung, die an einem nagt.
    Die Ursache drang flüsternd durch all meine anderen Gedanken hindurch. Bosnien lag weit von meinem Bett entfernt. Ich war den Pechvögeln von Dutchbat nie begegnet, und der ermordeten Hure Fleur nur in der Leichenhalle. Tiffany dagegen war munter und lebendig, und sie trieb sich irgendwo mit meiner Pistole in ihrem weißen Hurenledertäschchen herum.
    Ich versuchte, mir einzureden, dass ich nicht verantwortlich für sie sei. Ich hatte sie von der Straße aufgelesen und sie mehr oder weniger wieder aufgepäppelt. Was sonst hätte ich tun können?
    Madelon Cornelius.
    Ich dachte an Hoogkamp, den alten Asbestpatienten, der ihr sein Hausboot anvertraut hatte. »Maddy ist ein braves Mädchen, die weiß, was sie will. Ich wünschte, ich hätte so eine Tochter wie sie. Sie ist bestimmt so klug, dass sie ein monatliches Stipendium bekommt. Vielleicht schus tern ihr die Eltern auch noch was dazu, aber ich glaube eher, dass sie lieber auf eigenen Beinen steht.«
    Tiffany hatte mich innerlich angerührt, sie tat mir Leid.
    Ein paar Anrufe waren ja wohl das Mindeste, was ich für sie tun konnte. In Utrecht ging niemand ans Telefon, und ich dachte daran, dass die

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