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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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geknickt war. Er begrüßte uns mit einem knappen, gereizten Kopfnicken. Niemand wird gerne an seinem freien Abend raus geklingelt. Er warf einen Blick auf Madonna und gab sich keine Mühe, seine Abneigung gegen drogenabhängige Prostituierte zu verbergen.
    Ich nahm sie am Arm und ließ Tourmans und Bart vorausgehen. Madonnas Gesicht sah im Neonlicht leichenblass aus. »Du brauchst nur einmal kurz hinzuschauen«, sagte ich leise.
    »Aber du kennst sie doch auch?«, flüsterte sie.
    »Nicht gut genug für eine Identifikation. Ich weiß, dass es schrecklich ist, aber du hilfst uns damit …«
    Ich merkte, dass sie meine Worte kaum mitbekam. Sie fühlte sich gefangen und war auf dem besten Weg, in Panik zu geraten. Ich führte sie rasch durch die trostlose Teeküche, an deren Einrichtung – grüner Tisch, abgenutzte Metallrohrstühle, Kaffeeautomat – sich nichts verändert zu haben schien. Dahinter lagen die durch eine halbe Glaswand vom Obduktionssaal getrennten Kühlfächer. Trotz des beißenden Gestanks von Reinigungsmitteln ging von dem blank geputzten Chrom und den gewienerten Kacheln der Übelkeit erregende Geruch nach Menschenschlachthof aus. Konnte man für die Identifikation keine Fotos verwenden, wurden die Leichen meist in einen anderen Raum gebracht, der auf sensible Durchschnittsbürger eine weniger traumatische Wirkung ausübte, doch der Assistent fand wahrscheinlich, dass er bereits mehr getan hatte, als sein Job von ihm verlangte und dass weder die Leiche noch Madonna zu den sensiblen Durchschnittsbürgern gerechnet werden konnten.
    Ich nahm sie an die Hand und bugsierte sie halb hinter mich, als wir uns der herausgezogenen Bahre näherten. Der Surinamer lehnte mit verschränkten Armen an der Wand mit den Kühlfächern, während Bart das Laken am Kopfende zurückschlug. Ich hielt die Luft an, erstaunt über mein eigenes, intensives Gefühl der Betroffenheit, das Sausen in meinen Ohren und die Erleichterung, die mich erfüllte, als ich das Gesicht der Toten sah.
    Es war nicht Tiffany.
    Mein Schwindel ebbte ab und ich nahm meine Umgebung wieder klar und deutlich wahr, den Gestank, das Licht. Neben mir hörte ich, wie Madonna der Atem stockte. Sie gab einen kurzen, unartikulierten Laut von sich und fing an zu weinen.
    »Erkennst du diese Frau wieder?«, fragte Bart.
    »Fleur …«, brachte sie mühsam hervor.
    »Weißt du, wie sie heißt und wo sie wohnt?«
    Madonna schüttelte heftig den Kopf, schluchzte, wandte sich ab und vergrub ihr Gesicht in meiner Schulter. Ich legte meinen Arm um sie und führte sie weg, während Bart, mit Papieren bewaffnet, bei dem Surinamer zurückblieb, der die Bahre mit der routinierten Bewegung eines Apothekers, der eine Arzneischublade schließt, in das Kühlfach zurückschob.
    Ich brachte Madonna zu einem Stuhl in der halbdunklen Kantine, und sie ließ am Tisch den Kopf auf ihre Arme sinken. Ich zog am Automaten einen Becher Kaffee für sie, aber sie rührte ihn nicht an. »Weißt du wirklich nicht, wo Patty wohnt?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich muss sie finden. Wie sieht sie aus?«
    Noch immer verbarg sie das Gesicht in den Armen. Wahrscheinlich sehnte sie sich intensiv nach einem Schuss. »Sie ist groß. Sie trägt eine rosa Perücke«, flüsterte sie.
    Der Kaffee schmeckte nach Leichen. Bart kam herein, gefolgt von dem Surinamer, der es eilig zu haben schien, den Laden abzuschließen.
    Bart schaute das Mädchen an, füllte einen Becher mit Wasser und gab ihr eine Tablette, die er aus seiner Brusttasche hervorholte. Sie schluckte sie, ohne zu fragen, was es war. Danach brachten wir sie nach draußen und manövrierten sie auf die Rückbank meines Autos. Hinter uns wurden die Lichter ausgeschaltet. Madonna hing wie ein Häuflein Elend an der Rückenlehne, das Gesicht zur Seite gedreht, einen Finger im Mund.
    »Was hast du ihr gegeben?«, murmelte ich.
    »Valium.«
    Ich sprach gedämpft. »Sie kennt sie nur unter dem Namen Fleur. Sie arbeiten an derselben Stelle, fünf oder sechs Nutten. Fleur ist gestern Nacht an einen brutalen Kunden geraten, und Tiffany hat sie zu ihrem Hausboot geschickt, bevor sie selbst an einen noch brutaleren Freier geriet und bei mir vor der Tür gelandet ist. Was für eine Art Hausboot ist es?«
    »Ein alter Botter, so ein kleines Fischerboot. Aber es nützt uns wenig, wenn Fleur dort nicht selbst gewohnt hat.«
    »Wann genau hat man sie gefunden?«
    »Gegen zwölf Uhr mittags. Bei der Notrufzentrale ging ein anonymer Anruf ein.«
    »Ein

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