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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Frauen nach einer Weile damit auf und fangen wieder mit Heroin oder Crack an. Vielleicht gibt es in dieser Richtung irgendwelche Anhaltspunkte, und ein Sozialarbeiter kann sie sich mal anschauen. Ihre Tasche war verschwunden. Kein Identitätsnachweis. Das Boot ist eine richtige Bruchbude. Wenn der Täter es durchsucht hat, dann ohne zusätzliche Unordnung zu verursachen. Was sollte dort auch zu finden sein?«
    Das war mir auch schleierhaft. Bart hätte sicher kein Verständnis dafür gehabt, dass ich mir Sorgen um ein drogenabhängiges Flittchen machte, weil ein Straßendealer auf der Suche nach ihr war und jemand versucht hatte, bei meinen Nachbarn von gegenüber einzubrechen. Er hätte mich glatt ausgelacht.
    »Ich würde mir das Boot gerne mal ansehen«, sagte ich.
    »Es ist versiegelt.« Er schwieg einen Moment lang. »Halt mich bloß da raus.«
    »Okay.«
    Bart hatte die Hand schon am Türgriff. »Vielleicht hättest du lieber gestern Abend mit Bettekoo ins Bett gehen sollen, dann hättest du deinen Holzschnitt noch und wir beide säßen jetzt nicht hier.«
    »Ich weiß deine Sorge um mich zu schätzen.« Offenbar hatte sie ihn angerufen.
    »Tja«, sagte er säuerlich. »Ich will ja nicht wie deine Mutter klingen, aber Koo ist tausendmal mehr wert als die Person, über die du dir Gedanken machst.« Er schaute mich eine Weile lang an. Wenn er über Frauen sprach, wanderte seine Stimme stets um eine Oktave nach unten, und ein Unterton mütterlicher Besorgnis schwang darin mit, als wäre er am liebsten nicht nur der Liebhaber, sondern auch die Mutter aller Frauen. Zusammen mit seinem ziemlich rundlichen Babygesicht vermittelte diese Stimme den meisten Frauen die Illusion von Schutz und Sicherheit. Darauf waren schon viele Damen aus dem kriminellen Milieu hereingefallen.
    Bart seufzte, stieg aus, schlug die Tür ein wenig zu heftig zu und marschierte, ohne sich noch einmal umzuschauen, in Richtung des erleuchteten Präsidiums. Er gehörte zur normalen Welt. Er war Polizist. Er würde sich schon wieder beruhigen.

 
3
    Es war nicht gerade die schickste Hausboot-Wohngegend, doch im schummrigen Licht der einzigen nicht kaputt geworfenen Laterne wirkten alle anderen schwimmenden Behausungen im Vergleich zu Tiffanys altem Botter wie kleine Paläste. Ein mastloser Rumpf, eine dunkle Abdeckung über einem verpichten Schiffsraum, dessen Fenster kaum über das Gangbord reichten. Im Licht meiner Taschenlampe entdeckte ich eine Laufplanke, die zum kurzen Achterdeck führte, sowie ein kunststoffbeschichtetes Wäschereck und ein winziges, gelb angestrichenes Schutzdach über der Treppe, über die man hinunter zur Eingangstür gelangte. Ich nahm mein Messer in die Hand, um das Absperrungsklebeband durchzuschneiden, doch als ich meine Lampe auf den Spalt zwischen Tür und Türrahmen richtete, erkannte ich, dass mir jemand zuvorgekommen war.
    Nicht Tiffany, dachte ich. Tiffany wohnte hier und hätte das Klebeband einfach abgerissen. Sie war nicht der Typ, der einen sauberen Schnitt mit einem Messer durchführte, das schärfer gewesen sein musste als meines.
    Ich hielt die Hand auf meine Pistole gelegt, als ich die Tür aufstieß und die Stufen zum Schiffsraum hinunterstieg. Ich hörte kein Geräusch, es war niemand da. Ich hege die – manchmal riskante – Überzeugung, dass man die Anwesenheit eines irgendwo versteckten Menschen meistens spüren kann. Ich fand einen Lichtschalter. Da es einen Strom- und Wasseranschluss gab, konnte dies kein illegales Boot sein.
    Die Unordnung war halb so wild. Der Schiffsraum sah aus, als wäre er von einem Heimwerker ausgestattet worden. Ich nahm an, nicht von Tiffany selbst, sondern von einem ehemaligen Bewohner oder dem Eigentümer. Der Betreffende musste monatelange Arbeit in die Latten, die Holzverkleidungen, die soliden Fußbodenelemente, die Küchenecke aus lackierten Planken, das niedrige Doppelbett, die Wandschränke und die beiden Holzbänke zu beiden Seiten des an der Wand verschraubten Tisches gesteckt haben. Zwar wirkte der gesamte Innenraum abgenutzt und verwohnt, aber es war unübersehbar, dass der frühere Bewohner oder eben der Eigentümer selbst sehr viel Liebe und Sorgfalt hineingesteckt hatte.
    Ich fragte mich, wo Tiffany in diesem Raum ihre Spuren hinterlassen hatte. Ging eine drogenabhängige Prostituierte zur Heilsarmee oder auf den Flohmarkt, um dort alte Teppiche, eine Matratze, Bettwäsche, einen zweiflammigen Butangaskocher, ein Sammelsurium an Koch- und Essgeschirr

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