Tiffany
Vorspeise. Ich trank von dem Wein, aß mit ihr und schaute sie an. Sie wusste, wie man mit Messer und Gabel umging.
Ich stand auf, um die Mikrowelle einzuschalten, in der Erbsen und Möhren bereitstanden, und zündete die Gasflamme unter der Pfanne an. Ich ließ ein Stück Margarine in die Pfanne fallen und drehte mich um. Tiffany saß mit der Serviette an die Lippen gedrückt da und starrte auf ihren Teller.
»Wie möchtest du dein Steak?«, fragte ich sie.
Ich sah, dass sie an andere Dinge gedacht hatte und mir die Antwort ganz in Gedanken gab, sie kam spontan aus ihr heraus. »Saignant.«
Sie sprach das französische Wort perfekt aus.
Ich wandte mich um und streute Salz auf die Steaks. Das Fett zischte, ich ließ sie in die Pfanne gleiten. Ich wartete eine Minute, drehte sie um und mahlte Pfeffer darüber. Die Mikrowelle piepte. Ich nahm das Schüsselchen heraus, eines von Margas Werken angewandter Kunst, und trug es an den Tisch.
»Ich glaube, du weißt, wer Dürer war«, sagte ich.
Sie versteifte sich. »Du wolltest mich doch nicht damit nerven.«
»Stimmt. Aber ich vermute, dass du von Dürer gehört oder über ihn gelesen hast.«
Sie wandte ihr Gesicht ab. »In einer Zeitschrift beim Friseur.«
Ich holte die Pfanne aus der Küche, piekte mit der Gabel ein Steak heraus und legte es ihr auf den Teller. »Saignant. Dürer. Worüber hast du denn sonst noch so beim Friseur gelesen?«
»Steak au poivre«, sagte sie provokativ.
»Voilà. Beefsteak für die Gesundheit, Eis zum Nachtisch für den Appetit.«
Wieder dieser argwöhnische Blick, als prüfe sie jedes meiner Worte auf eine eventuelle doppelte Bedeutung. Sie benahm sich so wechselhaft wie das Wetter und schwankte zwischen spöttisch und zornig, apathisch und wach hin und her. Ich brachte die Pfanne weg und setzte mich wieder ihr gegenüber an den Tisch. Sie schnitt das Steak an, offenbar war sie hungrig. »Blutig genug?«
»Willst du vielleicht was von mir?«, fragte sie, plötzlich vulgär.
Ich schob ihr die Erbsen zu. »Hier, nimm ein bisschen Gemüse. Ein Glas Wein passt auch gut dazu.« Ich hielt die Flasche hoch.
»Willst du mich etwa betrunken machen?«
»Nein. Aber ein bisschen gesprächiger wäre nicht schlecht.« Ich schüttete den Rest ihres Wassers in einen vertrockneten Ficus und schenkte das Glas halb voll mit Wein.
»Filet de boeuf au Poivre. Charlotte wird am Telefon verlangt. Ti voglio tanto bene. Either or neither. Fuck you«, rasselte sie herunter.
»Bravo.«
Tiffany tupfte sich den Mund mit der Serviette ab, bevor sie das Glas an die Lippen führte. Sie wusste, was sich gehörte. Doch plötzlich presste sie so abrupt die Hände auf die Ohren, dass ihr Glas umfiel. Wein floss über den Tischrand auf ihre Hose. Ihr Stuhl fiel krachend zu Boden.
Zu Tode erschrocken sprang ich auf, um ihr den Weg zur Tür zu versperren, doch sie rannte mit zugehaltenen Ohren quer durch den Raum zur Stereoanlage. Zunächst sah es so aus, als wolle sie auf die Anlage eintreten, aber dann überlegte sie es sich wohl im letzten Moment noch anders und schaltete sie einfach aus.
Die Stille summte.
Ich stellte ihren Stuhl wieder auf und brachte ihr ein Geschirrhandtuch. »Was war denn das?«
Sie wischte über den Weinfleck auf ihrer Hose und ging zurück an den Tisch. »Diese Scheiße macht mich einfach verrückt.«
»Die Musik?« Ich runzelte die Stirn, holte die CD aus der Anlage heraus und schaute mir die Beschriftung an. Harmlose Klavierstücke von John Field, gefolgt von einer Violinsonate. Auf das Klavier hatte sie nicht reagiert. Ich legte die CD beiseite. »War es die Geigenmusik?«
Sie ignorierte meine Frage und brachte ein anderes Thema aufs Tapet, um mich von ihrem unerklärlichen Ausbruch abzulenken. »Ich brauch was zum Anziehen«, sagte sie. »Hier gibt es nichts, was mir passt.«
»Ich fahre morgen mal zu deinem Boot.«
»Das kann ich auch selbst.« Sie aß von ihrem Steak, das langsam kalt wurde.
»Du kannst hier nicht weg.«
Sie schaute mich mordlüstern an. »Du hältst mich also hier gefangen?«
Ich seufzte, schüttelte zwei Tabletten aus dem Röhrchen von Nina und gab sie Tiffany. Sie steckte sie, ohne sie vorher anzusehen, in den Mund und spülte sie mit einem Schluck Wein hinunter. Ich hoffte, dass die Kombination nicht allzu schädlich war.
»Ich glaube, dass du nicht gerade auf den Kopf gefallen bist«, sagte ich. »Du bist an mich geraten. Das ist der einzige Zufall. Den Rest hast du dir selbst zuzuschreiben. Du
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