Tiffany
umbringen.«
»Wäre er dazu im Stande?«, fragte ich beiläufig.
»Ich möchte ihn mir lieber nicht zum Feind machen. Ich weiß nur, dass er früher in einer Mietwohnung in Hilversum gelebt hat, in dem Viertel hinter dem Bahnhof. Du findest seine Adresse aber bestimmt unter seinem Namen im Telefonbuch, T. Stolz. T. steht für Theo.«
9
»Du bringst es immer wieder fertig, so spät zu kommen, dass ich mit einer Stinklaune nach Hause fahre«, sagte Nina Keereweer, die wieder mal mit der Tasche in der Hand auf mich wartete. »Das ist nicht gerade angenehm für meinen Mann und für meine armen Kinder. Wie lange soll denn das noch so weitergehen?«
»Ich weiß es auch nicht. Wo sollte sie denn anders hin?«
»Tja«, wandte Nina ein, »aber so wie ihr geht es vielen. Was hattest du dir denn vorgestellt?«
Sie hatte Recht, ich musste mich langsam mal um Tiffanys Eltern kümmern und Theo vorerst zurückstellen. »Ich arbeite daran«, versprach ich.
»Na ja, solange du mich bezahlst und mich nicht jeden Tag ärgerst …«
Ich grinste. »Wie geht es ihr?«
Nina ging bereits die Treppe hinunter und wandte sich, unten angekommen, noch einmal um. »Nicht besonders, aber du brauchst dir deswegen keine Sorgen zu machen, das ist normal nach ein paar Tagen Entzug. Was immer man auch mit Medikamenten dagegen zu tun versucht, es kommt trotzdem ein körperlicher Rückschlag. Und mit dem hat sie im Moment zu kämpfen. Sie hat Fieber und ihr ist übel. Rechne nicht damit, dass sie etwas isst. Sie hat Bouillon getrunken und ein starkes Schlafmittel eingenommen. Wenn du Glück hast, schläft sie über alles hinweg.«
»Wird sie von dem Zeug loskommen?«
»Die Frage ist eher, ob sie ein Ziel findet, für das es sich lohnt, aufzuhören.«
Ich war froh, dass ich mit dem Rest vom Pot-au-feu alleine am Tisch saß, sodass ich anfangen konnte, einen vorläufigen Bericht zu verfassen.
Wie jeder Polizeibeamte hasste auch ich das Berichteschreiben, aber wenn meine Ermittlungen in diesem Fall irgendetwas ins Rollen bringen würden, würde ich die Zusammenhänge jemand anderem erklären müssen, ganz abgesehen davon, dass ich nun mit Gijs van Nunen einen Auftraggeber hatte.
Theo.
Gegen Mitternacht schaute ich einmal kurz nach Tiffany. Die kleine Lampe neben dem Bett brannte. Der Schweiß stand ihr wie ein dünner Film auf der Stirn, und ihre Augen sahen fiebrig aus.
»Ich bin krank«, sagte sie. »Nach einem Schuss ginge es mir innerhalb von fünf Minuten besser.«
»Nina behauptet, du wolltest davon loskommen.«
Tiffany gab ein lang gezogenes, klagendes Stöhnen von sich.
Ich setzte mich an den Rand ihres Bettes und legte ihr die Hand auf die Stirn.
»Sei froh, das du kein richtiger Junkie bist«, sagte ich aufmunternd. »Du kannst damit aufhören. Nina hat gesagt, du hättest jetzt leichte Entzugserscheinungen, das ist wie eine Art Grippe, dir wird abwechselnd heiß und kalt, du bekommst Muskelschmerzen und Krämpfe, die Nase läuft und so weiter. Du wirst es überleben.«
»Und was dann? Soll ich irgendwo in einem Restaurant Teller abwaschen?«
»Vielleicht solltest du Lehrerin werden?«, entfuhr es mir unwillkürlich.
Einen Moment lang wirkte sie verwirrt. »Lehrerin?«, wiederholte sie langsam.
»War nur so eine Idee.«
»Klar, Lehrerin, mit meiner Vergangenheit.«
»Warum hast du angefangen, Drogen zu nehmen?«
»Weil ich Lust dazu hatte, okay?«
»Und wer hat dich dazu angestiftet, dein Freund Jerry?«
Sie lachte hässlich. »Glaubst du, dass mir dabei jemand helfen musste? Oder dass ich nicht für mich selber sorgen könnte?«
Ich blickte sie weiterhin ruhig an. Nach einer Weile drehte sie ihr Gesicht zur Wand.
Es war eine gemütliche Schlaf-Vorstadt mit niedrigen Gebäuden und Bäumen, denen man genügend Zeit zum Wachsen gelassen hatte. Alles hier verbreitete eine wohltuende Atmosphäre der Sicherheit, freundliche Mietwohnungen, deren Eingangstüren man auf jeder Etage über Galerie-Balkone erreichte und in denen junge Paare lebten, die beim Radio und bei Fernsehen arbeiteten und denen ihre Karriere wichtiger war als eine Familie.
Im Telefonbuch stand nur ein Stolz mit einem Z am Ende, und die Adresse lag tatsächlich in der Gegend, die Geurts mir beschrieben hatte. Ich betrachtete das Mietshaus und wählte Stolz’ Telefonnummer. Ein Anrufbeantworter meldete, dass er nicht zu Hause sei, und nannte eine Nummer in Amsterdam, unter der man ihn möglicherweise erreichen könne. Die Stimme klang kurz angebunden,
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