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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Patronengurten behangener Muslimkämpfer auf und fuchtelt mit einem Gewehr herum. Er will den Jeep und die Waffen haben. Grim klettert aus seinem Wagen. Er wirkt völlig ruhig. Er hebt die Hand, als wolle er sagen: ›Moment, ich schnalle mein Pistolenhalfter ab‹, aber der Muslim rammt ihm den Gewehrlauf gegen die Brust, schubst ihn nach hinten und richtet dann seine Waffe auf ihn. Das ist ein seltsamer Moment: Man sieht, was sich da abspielt, aber was soll man denn tun, schreien, eine Gewehrsalve in die Luft abfeuern? Dann erschrickt dieser Verrückte womöglich und drückt aus Versehen den Abzug. Man denkt an alles Mögliche, und doch dauert der ganze Vorgang nur ein paar Sekunden. Ich liege auf dem Dach, und Grim wird in ein paar Sekunden erschossen. Dann höre ich einen Schrei, der Muslim zielt mit der Waffe in die Richtung, aus der das Geräusch kommt, und dann Bamm!, bevor er selbst abdrücken kann, fällt er mit halb abgerissenem Kopf nach hinten über.«
    Die Brille rutschte zurück an ihren Platz, als Geurts seine Finger wegnahm, und er blinzelte, um wieder einen klaren Blick zu bekommen. Er griff nach seinem Glas und trank von seinem alten Genever.
    »Da hat wohl einer nicht in die Luft geschossen«, bemerkte ich.
    »Nein, es war unser Korporal gewesen. Genauso ein Typ wie Grim, fürchtete nicht mal den Teufel persönlich. In dieser Beziehung waren sie einander ebenbürtig. Stolz nützte jede Gelegenheit, um Jagd auf Kleinwild zu machen, das er dann verkaufte.« Geurts fing an zu grinsen. »Und Grimshave war ein solcher Kommisskopf, dass er Stolz einen Rapport anhängte, weil er sich im Sperrgebiet aufgehalten hatte.«
    »Ist das dein Ernst?«
    Geurts musste immer noch lächeln. »Nein, aber es hätte mich nicht gewundert. Ich konnte nicht hören, was die beiden miteinander redeten, aber ich sah, wie Stolz den toten Muslim schulterte und ihn ohne viel Federlesens in eine der Grotten warf. Dann sammelte er in aller Ruhe die aus seiner Waffe stammenden Patronenhülsen auf, stieg zu Grim in den Jeep, und die beiden fuhren zurück ins Lager. Stolz hat natürlich sofort überprüft, wer gerade auf Wache lag, und eine Viertelstunde später kam er zu mir aufs Dach geklettert. Er schaute mich auf seine typische Art an und sagte: ›Geurts, du hast nichts gesehen und wirst gefälligst den Mund halten‹.«
    »Und du hast dich daran gehalten?«
    »Im Vergleich zu Stolz waren wir Kleinkinder. Man konnte nicht anders, als ihn bewundern, aber er gehörte auch zu denen, die man sich besser nicht zum Feind machte. Ich habe diese Geschichte, die dort unten passiert ist, nie mit einem Sterbenswörtchen erwähnt, und ich erzähle sie dir jetzt nur, weil sie inzwischen zwanzig Jahre her und längst verjährt ist. Außerdem hat sie nichts mit deinem Dutchbat-Soldaten zu tun.«
    Ich nickte. »Was ist aus dem Korporal geworden?«
    »Einen Monat später wurde er zum Sergeanten befördert, und man braucht nicht weiter danach zu fragen, wer da seine Hand im Spiel hatte. Ich habe ihn noch einmal bei einem Kameradentreffen gesehen, da war er immer noch im Dienst und hatte sich freiwillig für Bosnien gemeldet. Das war im Winter 1992, als die Niederländer zusammen mit den Belgiern die ersten Konvois mit Nahrungsmitteln und Medikamenten begleiteten. Danach habe ich ihn nicht mehr wiedergesehen, aber ich weiß, dass er es bis zum Sergeant-Major gebracht und jede Menge Auszeichnungen erhalten hat. Hast du noch Lust auf eine Partie Billard?«
    »Ich habe noch vor sechs Uhr eine andere Verabredung, und außerdem durchbohre ich jeden Filz. Stolz war also zusammen mit Grimshave in Jugoslawien?«
    »Soweit ich weiß, hat Grimshave persönlich dafür gesorgt.«
    »Ist er noch beim Militär?«
    »Nein.« Geurts fing an zu lachen. »Er musste ungefähr vor einem Jahr den Dienst quittieren, weil er sich wieder mal was geleistet hatte.«
    »Was denn?«
    »Er hat bei einer Übung in Deutschland vor versammelter Mannschaft irgendeinem Oberst, der ihn angeschrien hat, dessen einzigen Orden abgerissen, nota bene eine Wandernadel, mit dem Kommentar, dass er sich gegenüber Soldaten mit echten Auszeichnungen nicht so aufspielen solle. Diese Version der Geschichte ist wahrscheinlich etwas übertrieben, aber wundern würde es mich nicht.«
    »Weißt du, wo er wohnt? Vielleicht hat er Jan van Nunen gekannt.«
    »Solange du nichts über die Geschichte im Wadi erzählst.« Geurts grinste, aber nicht so recht von Herzen. »Er würde mich noch heute

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