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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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erwiderte sie. »Aber du hast meine Frage nicht beantwortet.«
    Ein schmerzlicher Ausdruck flog über sein Gesicht, wurde jedoch sofort von Trotz weggewischt. »Meine Brust wurde von demselben Mann gebrandmarkt, der mich in die Schatulle verbannte.«
    Dela sah zu dem kleinen Kästchen hinüber, das auf ihrem Bettrand stand. Es war einfach zu viel für ihren Verstand, noch eine weitere verrückte Enthüllung zu all dem Wahnsinn, aber sie machte weiter. Sie klammerte sich hartnäckig an die allmählich versiegende Hoffnung, dass irgendetwas an all dem irgendwann einen Sinn ergeben würde.
    »Warum, und wie sollte dich jemand einkerkern?«
    Haris Lächeln war unendlich bitter. »Weil er es konnte.«
    »Das ist eine dumme Antwort.«
    »Befehlt mir doch, eine bessere zu geben«, höhnte er.
    »Lass das. Was hat es mit dir und diesen Befehlen auf sich? Kannst du nichts aus eigenem Willen tun?«
    »Nein.« Er wurde wieder wütend. »Das wisst Ihr genau, denn Ihr habt die Inschrift auf meiner Brust und auf der Schatulle gelesen.«
    Dela starrte ihn an. Wer in diesem Hotelzimmer war eigentlich der Verrückte? Sie betrachtete seine Narben. Sie konnte nichts entziffern.
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest«, erwiderte sie langsam. »Ich kann diese Worte nicht lesen. Für mich sind es bloß Krakeleien.«
    Hari sah sie argwöhnisch an. »Das ist unmöglich. Selbst des Lesens unkundige Einfaltspinsel können die Inschrift entziffern. Das ist ein Teil des Fluchs.«
    Dela biss die Zähne zusammen. »Ich habe es satt, mit dir über Sachen zu streiten, die ich nicht begreife. Ich will nicht verneinen, dass du real bist, oder dass du aus dieser Schatulle gekommen bist, aber auch wenn du alle Gesetze der Physik verspottest, das erklärt noch nicht alles. Sag mir etwas, Hari... etwas, womit ich etwas anfangen kann. Wer, zum Teufel, bist du, und warum bist du hier?«
    Sie hatte die letzten Worte geschrien. Hari hob seine Brauen.
    »Ihr könnt die Inschrift wirklich nicht entziffern?«, fragte er zögernd.
    »Kann ich nicht, nein!«, giftete Dela.
    »Ihr habt mich gerufen.«
    »Glaub mir, das war nur ein Versehen.«
    Seine Verwirrung erregte fast schon Mitleid. Dela fragte sich, ob sie wohl auch so verwirrt aussah. Sie malte sich aus, dass sie ihr Gesicht einem Schönheitschirurgen anvertrauen musste, damit sie wieder ihr ursprüngliches Aussehen zurückbekam.
    Hari setzte sich auf das Bett und schloss die Augen. Die Sprungfedern knarrten bedrohlich unter seinem Gewicht.
    »Ihr fragt mich, wer ich bin. Also gut, ich bin ein Sklave. Euer Sklave, bis zum Tag Eures Todes.« Er schlug die Augen wieder auf. Sein trotziger Blick und seine Worte raubten Dela den Atem. »Die Inschrift beschreibt die Bedingungen meiner Versklavung sowie die Worte, die Ihr aussprechen müsst, um mir befehlen zu können. So wie es Hunderte Männer und Frauen vor Euch taten.«
    Dela schüttelte entsetzt und voller Verständnis den Kopf. Sie wollte die Worte nicht wissen. Sie wollte es nicht, aber in Haris Blick lagen ein Versprechen und eine Drohung. Und zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, als müsste sie ihn anbetteln.
    »Sag sie nicht«, bat sie gepresst. »Bitte, nicht.«
    »>Du sollst<«, spie er heraus. Er war aufgestanden und drückte seine geballten Fäuste an seine Schenkel. »>Du sollst<, das sind die Worte, die Ihr aussprechen müsst, um meine Handlungen zu erzwingen. Ich kann nicht vor Euch fliehen. Ich kann Euch nichts tun. Mein Körper und meine Fähigkeiten gehören Euch, Euch ganz allein.« Seine Stimme klang wie eine tiefe Glocke, die ihren Ärger und ihre Qual hinausläutete.
    Dela hatte in ihrem ganzen Leben noch nie etwas Schrecklicheres gehört.
    »Warum?«, rief sie. »Warum hast du mir das gesagt? Du hättest es verschweigen können. Dann wärst du sicher gewesen.«
    Hari lächelte verbittert. »Woher wisst Ihr, dass ich nicht gelogen habe?«
    »Weil du kein Lügner bist«, erwiderte sie traurig. In ihrem Verstand hallte immer noch die Erinnerung an seine Seele wider.
    Sein Lächeln erstarb. »Ihr wolltet wissen, wer ich bin und warum ich hier bin. Ich habe es Euch gesagt. Benutzt mich nun, wie es Euch gefällt.«
    Allein die Vorstellung war widerlich, aber in Delas Ekel mischte sich auch Klarheit. Sie antwortete ohne nachzudenken.
    »Deshalb hasst du mich«, sagte sie. »Weil ich deine Herrin sein soll.«
    Hari neigte den Kopf, und die alte Verachtung zeigte sich in seinem Blick. Dela biss die Zähne zusammen. Sein Hohn gefiel ihr gar

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