Tiger Eye
verzog das Gesicht. »Seit dem Überfall habe ich darüber nachgedacht, wie ich diese Kerle hätte aufhalten können. Ich hätte ihre Waffen erhitzen können - und einfach nur ihre Hände verbrannt. Das Problem ist nur, dass meine Kontrolle zwar gut ist, aber nicht narrensicher. Ich habe nicht klar gedacht. Feuer breitet sich so schnell aus, und ich wollte nicht... ich wollte nicht...« Seine Stimme versagte, und Dela wartete geduldig.
»Es ist schwierig«, flüsterte er schließlich und sah sie fast verzweifelt an. »Ich will niemandem wehtun, aber ich wollte auch meine Freunde nicht verlieren, weil ich schwach bin.«
»Ach, Eddie«, antwortete Dela. »Sie haben das Richtige getan. Wir alle haben eine Grenze, die wir nicht überschreiten können, und wenn es Sie bricht, wenn Sie Menschen mit Ihrer Gabe verletzen, dann tun Sie es nicht. Gehen Sie das Risiko nicht ein, das ist keine Schwäche. Sondern Stärke.«
Delas Stimme klang selbst in ihren eigenen Ohren hitzig. Sie
hätte Eddie am liebsten die Hände auf die Wangen gelegt. Sie wollte, dass er die schreckliche Lektion verstand, die Adams Tod sie gelehrt hatte.
»Eddie«, sagte sie ruhig. »Verstehen Sie mich?«
»Ja«, sagte er und schluckte schwer. »Ja, Madam, ich verstehe Sie.«
Sie fuhr ihm durchs Haar, und er duckte sich rasch unter ihrer Hand weg, errötend.
Als sie wieder hochkamen, erwartete Blue sie schon an der Tür. Er sah auf seine Uhr und deutete dann mit einem Finger auf Eddie.
»In einer halben Stunde hast du einen Termin beim Arzt«, sagte er.
»Oh, Dad!«, scherzte Dean, als Eddie Blue erschreckt und ungläubig ansah.
»Hab ich vergessen«, murmelte er. Blue grinste.
»Schon gut, Junge. Ich halte dir die Hand, wenn sie sich mit ihren Nadeln und Sonden auf dich stürzen.«
Dean sah Artur an. »Wir sollten uns wohl um diese, ehm, andere Sache kümmern.«
»Was für eine andere Sache?«, fragte Dela und lehnte sich gegen den Küchentresen.
»Adam«, sagte Artur ernst. »Wir werden seinen Leichnam einäschern.«
»Oh.« Dela betrachtete ihre Hände. »Ich hatte gedacht, ihr hättet das schon getan.«
»Tut mir leid, Dela.« Dean trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. »Wir haben abwarten wollen, ob Wen Zhang ihn vielleicht haben wollte, aber da der nun tot ist...«
»Ich verstehe. Möchte ich vielleicht wissen, wo Adams Leiche die ganze Zeit gewesen ist?« »Es gibt einige Orte, wo die Leute keine Fragen stellen«, erklärte Artur. »Wir haben es uns zur Gewohnheit gemacht herauszufinden, wo diese Orte liegen.«
»Oh.«
Niemand fragte sie, ob sie und Hari allein zurechtkamen. Sie hatte fast erwartet, dass ihre Freunde sie auffordern würden, sie zu begleiten. Aber keiner sagte etwas, und als Blue ihr verschwörerisch zublinzelte, vermutete Dela so etwas wie ein Komplott.
Nicht, dass sie etwas dagegen gehabt hätte.
Als die Tür hinter ihren Freunden ins Schloss fiel, herrschte für einen Augenblick absolute Ruhe.
»Wir sind allein«, stellte Dela fast erstaunt fest.
»Ja«, sagte Hari. »Aber nur ein paar Stunden.«
»Na gut, wenn du warten kannst...«
Mit zwei Schritten war er bei ihr, warf sich Dela über die Schulter und trug sie in ihr Schlafzimmer. Dela lachte, packte die Tür und warf sie hinter ihnen ins Schloss.
*
Hari entging die Ironie nicht. Zweitausend Jahre Sklaverei, zahllose sexuelle Akte, und jetzt, als er Dela sanft auf das Bett legte, fühlte er sich unerfahren, rein.
Er streifte Delas Wange mit seinen Lippen, roch ihr heißes, süßes Verlangen. Sie zitterte unter seiner Berührung. Nicht vor Erwartung, das wurde ihm schlagartig klar, sondern aus Unsicherheit.
Hari setzte sich auf den Bettrand, nahm ihre Hände in die seinen und streichelte ihre Handflächen mit seinen Daumen. »Was ist los?«, fragte er sie. Er klang weit ruhiger, als er sich fühlte. Dela tat nicht so, als würde sie nicht verstehen, was er meinte. Sie lächelte ihn zittrig an.
»Hast du nicht auch ein bisschen Angst?«
Er hätte fast gelacht. Weder im Angesicht von Magie noch von Tod hatte diese Frau Furcht gezeigt, und doch verließ sie jetzt ihr Mut. Wie auch ihn.
»Ja«, erwiderte er leise. »Du bist die erste Frau, die ich jemals lieben werde.«
Dela seufzte, und als sie den Atem ausstieß, schwand auch die Spannung aus ihren Muskeln, bis sie schlaff an ihm hing. Dann kehrte ihre Kraft zurück, und sie umarmte ihn, fest und leidenschaftlich. Jetzt war sie nicht mehr schüchtern. Ihre Nervosität war verschwunden, und
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