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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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gesprochen haben, aber ich habe nie darüber nachgedacht, wie sie wohl sein würden. Jetzt verstehe ich.«
    »Und macht dir das Sorgen?«
    Sie konnte seinen Kummer spüren, schmeckte ihn auf seinen Lippen, als sie ihn küsste, zärtlich und innig. Dann lächelte sie an seinem Mund. »Nein, Hari. Obwohl ich glaube, dass wir ziemlich abgeschieden wohnen sollten, wenn wir einen Wurf Tigerjungen großziehen wollen.«
    Haris Augen sprühten Gold, ihr Schein zuckte durch das dunkle Schlafzimmer. »Das ist alles so schnell passiert. Wie lange kennen wir uns? Eine Woche? Etwas kürzer? Selbst in meinem Volk dauert eine Werbung länger. Sie ist voller Neugier und Geheimnis, ein Tanz zwischen Mann und Frau, der vor den Familien geheim gehalten wird, bis eine Entscheidung gefallen ist. Dann aber wird sie erfüllt. Der Mann entführt seine Frau in ein Heim, das er für sie errichtet hat, bis sie einem Kind das Leben schenkt, und dann vereinen sich die Familien wieder.«
    »Das hier unterscheidet sich sehr von dem, was du gewohnt bist«, stimmte sie zu. »Andererseits, mich in einen Mann zu verlieben und nach kaum einer Woche meine Zukunft mit ihm zu planen, ist auch für mich ziemlich ungewöhnlich. Aber ich wüsste nicht, wie ich es sonst machen sollte. Es flößt ein bisschen Angst ein.«
    »So können wir zusammen Angst haben«, erklärte er und zog sie noch dichter an sich. »Ich habe dir schon gesagt, dass sich Gestaltwandler für ein ganzes Leben paaren, Delilah. Wenn du mich jemals von dir stößt, wird es keine andere geben.«
    »Und keinen anderen«, versprach sie leise und streichelte sein Gesicht. »Mir gefällt diese Vorstellung.«
    »Du kannst grausam sein«, sagte er lachend und drehte sie auf den Rücken.
    »Ich könnte dich auf die Knie zwingen.«
    »Das hast du heute Abend schon einmal getan.«
    Sie lachten dicht aneinandergeschmiegt, spürten ihren Atem, und Dela wurde warm bei der Erkenntnis, dass Hari ihr genug vertraute, um über ein so ernstes Thema lachen zu können. Sie war immer noch seine Ruferin, seine Herrin, und auch wenn sie nicht einmal im Traum daran dachte, diese Macht zu benutzen, war sie doch da, lauerte im Dunkeln. Sie konnte ihn tatsächlich auf die Knie zwingen. Jeder, der die Schatulle besaß, vermochte das.
    Das darf niemals passieren. Ich weiß nicht, wie ich diesen Fluch brechen kann, aber ich werde niemals zulassen, dass es noch einmal jemand wagt, Hari zu missbrauchen.
    »Hari?«, fragte sie zögernd, während sie ihre Lippen an seinen Hals drückte. »Ich möchte, dass du darüber nachdenkst... falls und wenn mir etwas passiert, muss ich wissen... ach, Hari. Willst du, dass jemand anders die Schatulle bekommt, jemand, der eines größeren Vertrauens würdig ist? Artur zum Beispiel, oder Blue? Oder unsere... unsere Kinder?«
    Es war so merkwürdig zu sagen: »unsere Kinder«. Außergewöhnlich und atemberaubend, ein wundervolles Geheimnis, das nur für Haris Ohren bestimmt war.
    Sein Blick wurde ernst. Er beugte sich über sie, bis sein Gesicht nur wenige Zentimeter über dem ihren war. »Wenn du stirbst, Delilah, werde auch ich sterben. Ich werde tot sein, für die Welt, und so sollte es auch sein. Ich will nicht noch einmal gerufen werden. Lass mich in die Erde fallen, an deine Seite, und damit werde ich zufrieden sein. Ich habe eine Ewigkeit vor mir, in der ich von dir träumen kann.« Er strich ihr mit den Fingern über die Wange, so leicht wie der Flügelschlag eines Schmetterlings.
    »Junge, Junge«, hauchte sie heiser, bevor sie ihn innig küsste, »du verstehst es vielleicht zu reden.«

15
    Sie ist im Vergessen gefangen, heißt die Finsternis willig kommen, erbricht schwarz auf den kalten Steinboden. Atmen, Delilah, atmen. Versklavt, und keiner hört es, keiner kann es, und Delilah, sie ist allein, allein, allein...
    »Delilah!«
    Mit einem erschreckten Keuchen öffnete Dela die Augen. Helles Sonnenlicht flutete durch ihr Schlafzimmer, so süß wie Nektar in ihrem Verstand, und verjagte die Schatten ohne ein Wort. Hari beugte sich über sie. Seine Haut glühte, umrahmt von dem hellen Licht. Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände, mit einer lautlosen Frage.
    »Mir geht es gut«, log sie. Sie wollte die Sorgenfalten auf seiner Stirn verscheuchen. Wie konnte sie ihm ihre letzte Vision erklären, eine Vorahnung von Dingen, die dann kämen? Gefangenschaft, Isolation, Verzweiflung... ihre eigene, seine. Es spielte keine Rolle, für wen es galt. Etwas Schlimmes würde

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