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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Augenblick tauchte die Frau wieder auf. Ihr feuchtes Haar hatte sie zu einem dicken Zopf geflochten, der eine Seite ihres alabasterfarbenen Gesichts umrahmte. Ihre Kleidung war ungewöhnlich: eine dunkelblaue Hose, die ihre schlanken Formen betonte, und ein weißes Hemd, das ebenso wirkte.
    Es wäre besser gewesen, hätte sie dieses Tuch weiter getragen, dachte Hari bedauernd. Diese Kleidung lenkte ihn noch viel mehr ab.
    Spöttisch verzog sie die Lippen: »Du willst weglaufen?«
    Hari runzelte die Stirn und schloss die Tür. »Das ist unmöglich.«
    »Was nicht bedeutet, dass du es nicht versuchen könntest.«
    »Und wenn ich es wollte? Was würdest du tun?«
    Die Frau trat an ihm vorbei. »Vermutlich würde ich Beifall klatschen.«
    »Es fällt mir schwer, das zu glauben.«
    Sie warf ihm einen Blick über die Schulter zu. »Du hältst wirklich sehr viel von dir, habe ich recht?«
    Hari lag eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, doch er schluckte sie herunter, als er das merkwürdige Funkeln in den Augen der Frau bemerkte. Sie provozierte ihn! Wie... erstaunlich.
    »Du bist furchtlos.« Hari empfand wieder diese merkwürdige Hoffnung, die sein Herz zart wie eine Feder berührte. Er unterdrückte sie, rücksichtslos und ärgerlich auf den Funken von Respekt, den er für diese Frau empfand.
    Aber sein Respekt war zäh. Er hatte ihr den Schlüssel für seine Versklavung in die Hand gegeben, und sie hatte ihn zurückgewiesen, mit ihrem Blut. Er hatte ihr seine Narben gezeigt, und statt mit Ekel...
    Sie hatte sie berührt. Ihre Hände waren so weich gewesen und ihre Augen überströmend von dem Mitleid, das zu suchen er schon vor so langer Zeit aufgegeben hatte. Männer und Frauen fürchteten ihn, begehrten seine Stärke, gierten nach seiner Legende. Sie empfanden nichts für ihn. Die Augen dieser Frau jedoch waren so schockierend wie gefrorener Stahl in einer Wüste gewesen, wundersam und schrecklich zugleich.
    Einen Moment lang hatte Hari das Verlangen eines brennenden Mannes nach Wasser empfunden. Ein Verlangen nach Mitgefühl, nach süßem Respekt.
    Nein, so warnte er sich, sein Bedürfnis fürchtend. Sie mag einen Blutschwur geleistet haben, aber mit der Zeit wird sie werden wie die anderen. Die Versuchung, mich zu benutzen, wird einfach zu groß sein.
    Sich der Hoffnung hinzugeben, nur um dann erneut enttäuscht zu werden - dieser Schmerz wäre einfach zu unerträglich. Ein zerbrochenes Herz, mit ihm in diesen winzigen Sarg eingesperrt, in dem er seinen Albtraum immer wieder durchleben würde.
    Niemals wieder, dachte er. Es war ein Gebet und ein Versprechen. Nie wieder.
    »Was habe ich zu befürchten?«, fragte die Frau jetzt, während sie mit den Fingern über die harte hölzerne Rückenlehne eines Stuhls fuhr, des einzigen in diesem Raum. Sie lächelte zwar nicht mehr, aber ihre Stimme klang entspannt und ruhig. Hari bemerkte, dass sie den Stuhl nicht zwischen sie stellte.
    »Nichts«, erwiderte er. »Ich kann dir keinen Schaden zufügen.«
    Sie stieß einen leisen Laut aus, ihre Augen waren viel zu scharf. »Willst du mir denn etwas antun?«
    »Warum stellst du mir diese Fragen?« Der Ärger pochte in seinem Hals. Darauf wollte er ihr nicht antworten. »Warum bedrängst du mich mit deinen Worten?«
    Die Frau blinzelte. »Ich will dich nicht bedrängen. Ich möchte dich kennenIernen. Wie soll ich das aber können, wenn ich keine Fragen stelle?«
    Ja, wie? Hari wandte sich ab und unterdrückte ein Knurren. »Du brauchst mich nicht kennenzulernen«, erwiderte er, wäh-rend er gegen seine Hoffnung ankämpfte, gegen den Wunsch, zu träumen.
    Er blickte sie an, wollte ihre Reaktion sehen, und bemerkte ihre zusammengepressten Lippen, das Feuer der Rechtschaffenheit in ihren Augen, das ihm mittlerweile fast vertraut war. Hari wappnete sich gegen ihren Ärger, während ihm gleichzeitig schwach dämmerte, dass er sich insgeheim darauf freute.
    »Du hast nicht das Recht, mir zu sagen, was ich tun oder nicht tun kann«, erwiderte sie. »Du tauchst mit einem Knall in diesem Zimmer auf, jagst mir einen Heidenschreck ein und kippst mir dann einen Haufen Unsinn über den Kopf, zum Beispiel, dass wir bis zu meinem Tod zusammenbleiben müssten... und dann besitzt du auch noch die Unverschämtheit, mir zu sagen, dass ich dich nicht kennenIernen muss?« Sie trat einen Schritt auf ihn zu, die Fäuste in die Taille gestemmt und mit geröteten Wangen. Hari musste sich zusammennehmen, damit er nicht zurückwich.
    »Jetzt werde ich dir

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