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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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angespannte Wachsamkeit in
    seinem Körper bemerkte, die plötzliche Anspannung, die durch seine Muskeln fuhr. »Das sollte für ein Bad genügen.«
    Das »Badezimmer« war entsetzlich klein, und die Armaturen schienen ungewöhnlich, wenngleich nicht unbegreiflich. Dela zeigte Hari, wie er die merkwürdige Latrine benutzen musste, und auch das Becken mit dem bemerkenswert heißen, fließenden Wasser.
    Er überlegte, ob er sie fragen sollte - und kam zu dem Schluss, dass er jetzt genauso gut wie zu jedem anderen Zeitpunkt ihre Bereitschaft prüfen konnte, ihn als einen vernunftbegabten Menschen und nicht nur als Körper zu akzeptieren.
    »Wirst du mir sagen, wie das hier funktioniert? Ich habe so etwas noch nie gesehen.« Er drehte an den Knöpfen und spürte, wie sich die Temperatur des Wassers sofort veränderte. Ein Wunder.
    Sie lächelte. »Ich kenne mich mit Klempnerinstallationen zwar nicht so gut aus, aber ich versuche es mal.« Das tat sie dann auch - was ihn freute. Als sie ihre Erklärung über Rohre, Heißwasserboiler und Elektrizität beendete, legte Hari seine Waffen und seine Kleidung ab. Dela errötete und stolperte förmlich aus dem kleinen Raum. »Viel Spaß«, stieß sie noch atemlos hervor und schlug die Tür hinter sich zu.
    Hari starrte ihr hinterher, verblüfft über ihre Reaktion, und spürte dem Gefühl ihres Körpers so dicht an seinem nach. Als seine Aufregung jedoch zu stark wurde, versuchte er, sich lieber auf sein erstes Bad seit Ewigkeiten zu konzentrieren.
    *
    Dela stolperte zum Bett und holte tief Luft. Haris Geruch war überall im Raum, auch auf der Tagesdecke. Es war derselbe
    Duft, der das Hotelzimmer erfüllt hatte, als sie die Schatulle öffnete: eine Mischung aus Blättern und Holz. Wild und intensiv, was den Mann nur widerspiegelte.
    Gott steh mir bei!, dachte sie. Ich fange an, ihn wirklich zu mögen.
    Sie sank auf die Matratze und schlang ihre Arme um ihren Oberkörper. Ein Schauer lief über ihren Körper, und ihr Herz pochte laut und unregelmäßig.
    Ich habe mich gerade verpflichtet, diesem Mann für den Rest meines Lebens zu helfen.
    Plötzlich wurde ihr die Ungeheuerlichkeit dieser Entscheidung bewusst. Sie ließ sich auf das Bett sinken und starrte blicklos an die Decke.
    Was habe ich da getan?
    Welche Möglichkeiten hätte ich gehabt?
    Die Alternative war undenkbar. Dela würde Hari niemals in diese Rätselschatulle zurückschicken. Sie könnte nicht damit leben, ihn in ein Gefängnis zurückzuzwingen, in das er nicht gehörte.
    Vielleicht lügt er ja. Vielleicht wurde er aus gutem Grund dorthin verbannt.
    Dela schloss die Augen und rief sich ihre Empfindungen ins Gedächtnis, die sie bei dem Kontakt mit seinen Waffen durchströmt hatten. Nach einem Moment riss sie sich aus ihren Erinnerungen los und rieb sich die Augen. Nein, er log nicht.
    Zweitausend Jahre in Sklaverei zu verbringen, was für eine ungeheure Zeitspanne! Dela drehte sich auf die Seite und kämpfte mit dem erstickenden Gefühl in ihrem Hals. So viel Schmerz, und irgendwie, durch eine unglaubliche Willensstärke wohl, hatte er seine geistige Gesundheit erhalten, seine Integrität. Dela fragte sich, ob sie auch so stark sein würde.
    Sie hörte das Platschen von Wasser; ein seltsam unbeschwertes Geräusch, unschuldig und ganz normal.
    Werd nicht weich!, befahl sie sich. Du solltest ihm nicht vertrauen. Jedenfalls nicht ganz. Er wird dich verschlingen, wenn du das tust, du bist bloß eine Möglichkeit für ihn, nicht in die Schatulle zurückzumüssen. Männer haben Frauen schon für weniger missbraucht.
    Das stimmte zwar, doch obwohl Delas Freunde, bis auf eine Ausnahme, von der Gesellschaft als höchst unsicher, alles andere als vertrauenswürdig und berüchtigt mörderisch betrachtet wurden, waren sie das vollkommene Gegenteil von dem, was diese bösartigen Etiketten ihnen anhängten. Und etwas an Hari erinnerte Dela an sie, eine strahlende Freundlichkeit unter der rasiermesserscharfen Hülle. Dela hatte einen Lichtschimmer hinter den Schatten in seiner Seele verspürt. Und sie vermochte den Trost dieser erstaunlichen Wärme nicht zu vergessen.
    Hörbar atmete sie aus. Etwas Merkwürdiges war in ihr Leben getreten, und wie ihre Großmutter immer zu sagen pflegte: »So ist es.« Natürlich hatte ihre Großmutter das Ungewöhnliche immer begrüßt, noch mehr als Delas Bruder Max, der weit mehr Talent als seine jüngere Schwester besaß, was das »Unnatürliche und Merkwürdige« betraf.
    Sie lächelte, als

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