Tiger Eye
legte sie in die Kassette zurück. »Wenn wir zu Ende geredet haben, bringe ich das zur Bank und verstaue es in einem Tresorschließfach. Das wäre die schnellste Lösung. Dein Magier kann ja wohl kaum dort rankommen, oder?«
»Ich kenne dieses... Tresorschließfach... nicht, aber wenn der Ort bewacht ist, dann vielleicht nicht. Allerdings waren mir die Fähigkeiten des Magiers immer ein Rätsel.«
»Wozu genau ist er in der Lage?«, erkundigte sich Eddie.
Hari sah die Hände des Magiers vor sich, die wie brennende Sensen durch die Luft und dann heiß über seine Brust fuhren. Er schrie, schrie immer mehr. Während Suris zerschmetterter Leichnam auf dem Boden lag.
»Zu meiner Zeit«, erklärte er rau, »besaß der Magier die Macht, Feuer zu schaffen und Objekte ohne die Hilfe seiner Hände zu bewegen. Er konnte über große Entfernungen sehen und Menschen mit einem Wort in Fesseln schlagen.«
Dean, Blue, Dela und Eddie starrten sich an.
»Ich weiß«, fuhr Hari fort, »diese Macht ähnelt den Fähigkeiten, die ihr besitzt, aber mit euren mentalen Talenten hättet ihr mich nicht verfluchen können, und sie hätten ihn auch nicht mehr als zweitausend Jahre lang am Leben erhalten.«
»Das ist allerdings ein guter Trick«, gab Dean zu. »Ich wünschte, wir könnten ein bisschen echten Voodoo.«
»Die Stärke des Magiers hat allerdings abgenommen. Delilah und ich wissen zwar nicht warum, aber das sollte sich zu unserem Vorteil auswirken.«
»Ich hoffe es«, murmelte Dela und blickte auf Haris Waffen, die auf dem Tisch lagen. Plötzlich verwandelte sich ihre Miene.
»Ich bin ja so dumm! Wo ist Artur? Ich habe noch meine Klinge, die dieser Attentäter gestohlen und bei seinem ersten Versuch, mich umzubringen, benutzt hat. Vielleicht findet Artur ja ein paar Hinweise darauf!«
Eddie zog sein Handy heraus, während Dean mit der Zunge schnalzte. »Du hast dich viel zu sehr an dein alltägliches Leben gewöhnt, Dela. Du vergisst all die magischen Dinge, die wir tun können.«
Dela deutete auf Hari. »Siehst du diesen Burschen hier neben mir? Er ist pure Magie! Wir anderen sind nur die Ergebnisse wissenschaftlicher Experimente.«
»Was ist mit Dean?«, fragte Hari. »Er hat doch ein ähnliches Talent wie Artur.«
Dean schüttelte den Kopf. »Im Vergleich zu Artur bin ich ein Amateur. Wenn du einen wirklich gründlichen Scan willst, ist er der richtige Mann. Es ist in etwa derselbe Unterschied, ob du nur ein Kapitel aus der Mitte eines Buches liest oder den ganzen verdammten Schinken.«
»Artur ist unterwegs«, erklärte Eddie. »Ich nehme seinen Platz vor der Tür ein.«
»Danke, Eddie. Ich danke euch allen«, sagte Dela. »Ich weiß wirklich zu schätzen, dass ihr mir so helft.«
»Ah, Dankbarkeit.« Dean legte seine Hand aufs Herz. »Wie selten sie doch ist.«
»Halt die Klappe«, sagte Dela lächelnd.
Als Artur hereinkam, hielt er sich nicht lange mit Smalltalk oder irgendwelchen Fragen auf. Er setzte sich einfach auf die Couch vor Delas Waffe, dem Langmesser mit dem langen Griff und dem eingravierten Drachen. Dann zog er die Handschuhe aus und legte seine Handflächen auf die Klinge.
Einen Moment lang passierte gar nichts, dann stieß er ein leises Geräusch aus, ein Keuchen, danach ein Seufzen. Ein Schweißfilm glänzte auf seiner Stirn, und seine Hände zitterten etwas.
»Nein«, flüsterte er.
»Artur?« Dela streckte die Hand aus.
Artur sprang auf und lief in die Küche. Als er die Spüle erreichte, beugte er sich darüber und spuckte aus. Dela eilte zu ihm, strich ihm das Haar zurück und drückte ihm einen nassen Lappen auf den Nacken.
Schließlich hatte sich Artur wieder so weit gefasst, dass er sich Wasser ins Gesicht spritzen konnte. Er spülte das Becken aus und sah erst Dela und dann die anderen an. Seine Augen waren dunkel und wirkten irgendwie traurig.
»Ich weiß, warum dich jemand umbringen will, Dela. Dieses Langmesser, das du selbst gemacht hast, und das gestohlen wurde, hat man benutzt, um damit ein Kind zu ermorden.«
7
Nach dieser Bemerkung war es an Dela, sich zu übergeben, aber dazu zog sie die Abgeschiedenheit ihres Badezimmers vor. Sie hörte, wie die Männer im Wohnzimmer miteinander redeten, aber ihre Stimmen klangen gedämpft und undeutlich. Dela wollte allerdings auch gar nicht wissen, was sie sagten. Ihr Entsetzen war viel zu groß. Ihr saß ein Kloß im Hals, aber sie konnte einfach nicht weinen. Sie hätte gern geweint, sehr gern sogar, aber die Tränen wollten
Weitere Kostenlose Bücher