Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger
Spitze seines Penis landete und ihn mit ihren Flügeln kitzelte. Tausend kleine Feen, so groß wie Kolibris. Nein, so groß wie die Herzen von Kolibris.
Doch nur weil ich schmutzige Gedanken hatte, war ich noch lange keine Nutte. Ich war immer noch Jungfrau. Nina war nicht ich. Dieser Gedanke besserte meine Laune. Ich riss mich zusammen, überquerte die Straße und betrat den überfüllten Schulhof.
***
Wie immer endete ich als gesellschaftliche Null. Ich konnte mich einfach nicht überwinden, auf irgendjemanden zuzugehen oder irgendwen anzusprechen. Im Englischunterricht bat uns die Lehrerin, Gruppen zu bilden. Ich setzte mich allein an einen Tisch hinten im Raum. Dennoch gelang es mir, gute Noten zu erreichen, und im achten Schuljahr bekam ich die höchsten Punktzahlen im College-Eignungstest, einer Prüfung, die alle Schüler an der Washington School ablegen mussten.
Nicht nur hatte ich mir abgewöhnt, mir Schulfreundinnen zu wünschen, ich hatte auch gutgemeinte Annäherungsversuche zurückgewiesen. Zwei Mädchen hatten mir ihre Telefonnummern gegeben, doch wie schon bei Justine konnte ich mich einfach nicht überwinden, sie anzurufen. Ich hatte Angst, sie würden sich nur mit mir anfreunden wollen, um Informationen zu bekommen. Warum sonst sollten sie sich mit einer Verrückten wie mir abgeben? Schließlich hatte ich ein großes, pikantes Geheimnis, in das ich sie auf keinen Fall einweihen wollte. Weder wenn sie mich drangsalierten, noch wenn sie nett zu mir waren.
***
An einem Sonntag Anfang Dezember war Peter mit Inès auf dem Motorrad unterwegs, und ich lag in seinem Zimmer unter einem Berg aus dicken Decken und wartete auf seine Rückkehr. Ich hatte die Heizung ausgestellt, weil Wärme die Kakerlaken anlockte. Ich machte mir nicht mehr die Mühe, sie zu erschlagen: Es war zu viel Arbeit, sie zu jagen und zu entsorgen. Wenn ich die Heizung lange genug anstarrte, hatte ich manchmal das Gefühl, dass keine Kakerlaken mehr da waren, so als hätte ich sie durch einen Zaubertrick verschwinden lassen. Diesen Trick übte ich immer wieder; ich starrte sie an, bis sie so reglos waren, als wären sie gar nicht da. Dann blinzelte ich, damit sie wieder lebendig wurden. Plötzlich klopfte es an der Tür.
»Komm rein!«, sagte ich in der Annahme, es sei Richard.
Er hatte einen nackten Oberkörper, trug nur die übliche grüne Baskenmütze und eine Armeehose. »Wollte nur kurz Zigaretten klauen.« Richard öffnete die oberste Schublade von Peters Kommode. »Verflucht, ich kann keine finden.« Ich wollte aufstehen, um ihm zu helfen, doch er hielt die Hand hoch, damit ich liegen blieb.
»Lass das!«, sagte er. »Wegen mir musst du nicht aufstehen. Es sieht so gemütlich aus, wie du da liegst.«
Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich merkte, dass er mit mir flirtete.
»Ja?«, flirtete ich zurück.
»Klar, ich meine, es sieht wirklich gemütlich aus, wie du da drunter liegst. Herrje, glücklich, wer jetzt mit dir kuscheln dürfte.«
»Du willst zu mir ins Bett kommen? Nur mal kurz?«, fragte ich.
Richard lachte. Er war wie hypnotisiert.
Ich klopfte neben mich. Besser gesagt: Nina tat das. Ich spürte ihre Macht; sie schoss mir durch den ganzen Körper. Es gefiel mir, dass Richard wie angewurzelt dastand, eine Hand in der Schublade. Doch es gab einen anderen Teil von mir, der nicht Nina war, der einfach nur in die Arme genommen und an Richards warme Brust gedrückt werden wollte. Irgendwie verstand er mich.
Schließlich sagte ich: »Komm doch, bitte.«
»Ich kann nicht«, sagte Richard. »Tut mir leid.« Dann fügte er schnell hinzu: »Halt dich warm«, und verschwand ohne Zigaretten.
***
Überall um uns herum lebten skurrile Menschen, doch Peter und ich bemühten uns, sie nicht anzustarren; schließlich wollten wir auch nicht begafft werden. Einige Häuser neben Peter schaute ein Mann den ganzen Tag lang schlecht gelaunt aus dem Fenster. Er trug immer ein schmutziges weißes Unterhemd, und die Falten schienen sich auf seiner Stirn zu sammeln: Die Haut dort war so gerollt wie das Fell eines Mopses. Peter hatte ihm den Spitznamen »Adlerauge« gegeben, und wir machten unsere Witze über ihn; Peter zog die Augenbrauen zusammen, reckte den Hals, als würde er aus dem Fenster spähen, und fragte: »Wer ist da draußen? Wer kann das sein?« Doch irgendwann wollte ich nicht mehr über den Mann reden, mich nicht mal über ihn lustig machen, weil ich überzeugt war, dass er mich verachtete.
Dann gab es den
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