Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger
schmeißen. Dennoch saß ich in meinem Nachthemd mit den schlafenden Bärchen und in weißen Baumwollsöckchen zu Hause auf der Treppe. Meine Mutter war bereits mit dem Bus abgeholt worden, der sie zur Tagesbetreuung der Mount Carmel Guild für psychisch Kranke brachte, wie es ihr Psychiater angeordnet hatte, auch wenn meine Mutter behauptete, sie sei zu depressiv, um das Haus für Musik-, Kunst- oder Gruppentherapie zu verlassen.
Poppa ging in seiner Arbeitskleidung schimpfend am Fuß der Treppe auf und ab, als es an der Tür klopfte.
»Peter«, sagte er. »Sieh sie dir an! Sieh dir an, wie sie da auf der Treppe sitzt! Sie ist verrückt geworden, wie ihre Mutter! Sie rührt sich nicht von der Stelle! Übernimm du das! Ich komme damit nicht klar! Ich bekomme noch einen Herzinfarkt! Überzeuge du sie, zur Schule zu gehen! Hol sie von der Treppe runter, bitte! Ich ertrage es nicht, wie sie da sitzt, als ob ihr das ganze Haus gehört! Ihr gehört genau gar nichts in diesem Haus!«
»Margaux«, sagte Peter ruhig. Er hatte seine Lederjacke an. »Ich stehe am Hydranten. Du musst mir sagen, ob du mitkommst oder nicht! Wenn du nicht mitkommst, muss ich das Auto umparken.«
»Natürlich kommt sie mit!« Poppa schoss auf die Treppe zu und packte mich am Arm. »Zieh dich an! Zieh dich an! Ich muss zur Arbeit!«
»Dann geh doch! Ich gehe jedenfalls nicht. Peter, du kannst den Wagen umparken.«
»Bist du sicher?«, fragte Peter.
»Ja. Ich bleibe hier sitzen.«
»Gut«, sagte Peter und ging zur Tür.
»He! Warte!«, schrie Poppa und zeigte mit dem Finger auf Peter. »Sag ihr, dass sie mitkommen soll! Red ihr ins Gewissen; auf dich hört sie ja!«
»Ich kann sie nicht zwingen. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, ist es vorbei.«
»Auf welcher Seite stehst du eigentlich?«, rief Poppa und funkelte Peter böse an. »Auf der Seite von Vernunft und gesundem Menschenverstand? Oder willst du, dass dieses Kind sein Leben zerstört? Willst du, dass sie so wird wie ihre Mutter? Was hast du für ein Motiv? Handelst du nicht in ihrem besten Interesse?«
Peter schwieg. Poppa drehte sich zu mir um. »Hör mir zu, hör auf deinen Vater! Ich gebe dir mehr Taschengeld. Du bekommst mehr Geld. Sei einfach lieb und zieh dich an.«
»Nein. Ich gehe da nicht mehr hin.«
»Warum nicht? Wegen der Lehrer?«
»Nein, wegen der Schüler. Ich passe nicht dazu. Ich passe nie dazu, egal, wo ich bin.«
»Hör nicht hin, was andere über dich sagen. Meinst du, es ist letztendlich wichtig, was andere sagen? In Puerto Rico wurde ich wegen meiner Haarfarbe gehänselt. Ich war ein Außenseiter in der Schule und in meiner eigenen Familie, weil ich der Einzige mit roten Haaren war. Aber ich habe immer getan, was mir gesagt wurde. Ich habe meinen Eltern nie Kummer gemacht. Jeder wird mal von den anderen verspottet. Ich bin mein ganzes Leben lang der Lächerlichkeit preisgegeben gewesen, und trotzdem habe ich es immer geschafft, den Kopf hochzuhalten. Ich bin in dieser Stadt jetzt bekannt als der Mann von der Verrückten. Und trotzdem verstecke ich mich nicht. Ich gehe öfter aus, um allen zu zeigen, dass ich nicht geschlagen bin. Wenn man einmal damit anfängt, sich von der Welt zurückzuziehen, wird alles nur noch schlimmer. Ich möchte, dass du eine gute Ausbildung hast. Dass du eine gute Zukunft hast.«
»Die Zukunft ist mir egal.«
»Warum?«
»Was interessiert dich das? Du liebst mich doch nicht!«
Er packte mich am Arm und schüttelte mich. »Wer hat dir gesagt, ich würde dich nicht lieben? Wer hat dir das gesagt? Du bist meine Tochter, ich muss dich lieben! Du bist mein Fleisch und Blut; ich muss mich um dein Wohl kümmern!« Wieder wandte er sich an Peter. »In der Hölle ist ein besonderer Platz für diejenigen reserviert, die sich weigern, Stellung zu beziehen. Du hast meine Frau ins Krankenhaus gebracht und hast dafür gesorgt, dass meine Tochter sie viele Male besucht hat. Dafür bin ich dir dankbar. Du hast meine Tochter zur Schule gefahren, auch dafür bin ich dir dankbar. Aber hier und heute hast du dein wahres Gesicht gezeigt!«
»Ich will mich nicht mit dir streiten, Louie. Ich will ebenso sehr wie du, dass Margaux ausgebildet wird. Aber ich habe mir angehört, was sie in der Schule durchmacht. Ich weiß, wie sehr sie leidet.«
»Sag mir bitte eins: Bist du ein Aufrührer? Habt ihr das zusammen eingefädelt?«
»Nein, ich verstehe nur, wie es ihr geht.«
»Ich möchte jetzt etwas klarstellen: Entweder willst du das
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