Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger
man sich niemals sicher sein kann … Also, es gibt etwas, von dem ich nichts erzählt habe, und wir haben doch keine Geheimnisse voreinander, aber ich hatte Angst, du würdest sauer werden. Die Kupplung vom Escort tut’s nicht mehr lange. Ich mache mir Sorgen, weil der Escort das Einzige ist, mit dem ich mich jetzt noch bewegen kann. Der Wagen ersetzt quasi meine Füße …«
»Ich kann nicht zu meinem Vater gehen, wenn du darauf hinauswillst.« Peter hatte schon einmal vorgeschlagen, sich Geld von Poppa zu leihen. »Warum fragst du nicht Inès?«
»Das geht nicht … Ich habe mir schon viel Geld von Inès geliehen und konnte bis jetzt noch nicht alles zurückzahlen.« Ich hatte nicht gewusst, dass er Inès Geld schuldete.
Peter schaute beiseite. »Weißt du, in letzter Zeit bin ich so gefühlsduselig, vielleicht liegt’s am Alter … Männer werden sentimentaler, je älter sie sind … Ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu weinen, als ich da oben sang, weil es mir vorkam, als würde das Lied von uns handeln, unsere Ausflüge sind wie ein Karussell, wir drehen uns im Kreis, und es geht nie zu Ende. Egal. Ich bin unehrlich zu dir gewesen. Ich habe heimlich Geld von unserem Konto abgehoben, um etwas zu bezahlen, von dem ich dir nichts erzählen wollte; ich hatte gehofft, ich könnte das Geld im Laufe der Zeit zurückzahlen, aber dann machte die Kupplung schlapp, und es gab keinen anderen Weg mehr, als es dir zu erzählen … Ich bin ein Dieb, ich habe dich bestohlen …«
»Wie viel, Peter?« Ich verschränkte die Arme. Ich hätte auf Anthony hören sollen; einmal hatte ich ihm gegenüber erwähnt, dass ich Geld auf Peters Konto hatte, und Anthony drängte mich, es abzuheben, nicht weil er meinem Onkel misstraute, sondern weil es einfach besser sei, wenn ich mein eigenes Konto hätte. Ich war einfach noch nicht dazu gekommen. Völlig blind und ahnungslos hatte ich Peter vertraut, und jetzt hatte er mich bestohlen.
Er begann zu weinen. »Vierhundert Dollar.«
»Soll das ein Witz sein?«
»Ich hatte gehofft, ich würde dir das niemals sagen müssen.«
Peter nahm ein Käsebiskuit, das letzte, und zerkrümelte es in der Faust. Die Karaoke-Musik lief noch, was gut war, denn der Lärm übertönte unser Gespräch. Dennoch achtete Peter sorgfältig darauf, dass niemand mitbekam, worüber wir redeten. »Es liegt an Gretchen, dieser Hexe, mein Gott, wie ich sie hasse! Sie will uns alle zerstören. Sie wird dich mit mir vernichten; sie wird keine Minute zögern, dein Leben zusammen mit meinem zu zerstören. Sie ist böse. Die beiden erheben Anschuldigungen; also, eigentlich ist sie es … Ich bin mir sicher, dass sie dahintersteckt, nicht er. Ricky ist ein guter Junge. Ich habe ihn großgezogen. Ich habe ihm nie irgendwas getan. Das weiß er genau.«
»Behaupten die beiden, du hättest … ihn berührt?« Fast hätte ich das Wort »belästigt« verwendet, doch ich hielt mich gerade noch zurück.
»Ja, das haben sie Inès erzählt. Ich habe vierhundert Dollar für einen Lügendetektortest ausgegeben. Ich habe Inès das Ergebnis gezeigt. Jetzt löst sich die ganze Sache hoffentlich in Luft auf. Mehr kann ich nicht tun.«
»Hast du bestanden?«
»Ich bin unschuldig. Ich habe nie etwas mit Ricky angestellt. Ich mag keine Jungen, das weißt du.«
»Hm, ich dachte, vielleicht …« Ich erinnerte mich an Peters Geschichte mit dem Mann, der ihn als Kind missbraucht hatte. Peter hatte die Episode immer als Vergewaltigung bezeichnet, obwohl er »eingewilligt« hatte, um sich von dem Geld eine Luftpistole kaufen zu können. Er hatte sich damals so empört, dass ein erwachsener Mann einem kleinen Jungen so etwas antun konnte. Homophob war Peter jedoch auch nicht. Im Palisades Park hatte er die Schwulen bewundert, die den Mut hatten, öffentlich Händchen zu halten, und er hatte immer gesagt, dass Liebe zwischen Gleichgeschlechtlichen nicht weniger wert sei.
Als hätte er meine Gedanken gelesen, sagte Peter: »Ich habe dir mal erzählt, dass ich mit zehn Jahren von einem Mann verletzt wurde. Es hat mir keinen Spaß gemacht, weil ich nicht schwul bin. Wenn ich schwul wäre, hätte es mich vielleicht nicht gestört. Außerdem war das, was er mir antat, alles andere als liebevoll. Im Gegenteil, es war ihm egal, dass er mir wehtat. Er fand mich auf der Straße … er war ein Verbrecher. Du und ich, wir haben uns geliebt. Glaub mir, vor dir gab es niemanden. Ich habe versucht, normal zu sein.«
»Aber warum wirft Ricky dir
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