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Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie

Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie

Titel: Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Paul
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besser sofort los!“
    Folgsam kam Bao Annas Befehl nach und ließ zu, dass Anna die Tür öffnete.
    Anna sah einen engen, niedrigen Gang, an dessen Ende schmale Stiegen nach oben führten. Ihr Kopf wurde von Minute zu Minute klarer. Frische Luft strömte durch die Luke herein, und der Wind trug den Geruch von Salz und Fisch heran.
    Als Anna sich anstrengte, konnte sie den Klang der Wellen vernehmen, die sich an etwas Gewaltigem brachen.
    „Ich glaube, mir wird schlecht“, stöhnte Anna. Ihr Magen rebellierte, während sie den Gang entlangtorkelte.
    Unbeholfen erklomm sie die Stufen und fand sich an Deck eines Segelschoners.
    An der frischen Seeluft verflogen die schlimmsten Nebelfetzen aus ihrem Hirn.
    „Dieser Schuft!“, stieß Anna hervor.
    Er hatte sie an Bord eines Schiffes entführt! Einige Seeleute arbeiteten unbeeindruckt von Annas Erscheinen weiter, ein oder zwei Männer sahen auf. Als Anna sie nicht beachtete, lenkten sie ihre Aufmerksamkeit auf die Arbeit zurück.
    Anna trat an die Reling. Der Hafen war in der Ferne noch zu sehen. Sie wägte ab, ob sie es schaffen konnte, ans Ufer zu schwimmen. Vielleicht, wenn ein Schiff ihren Weg kreuzte?
    „Das würde ich Euch nicht raten, Anna Drysdale.“ Die Stimme war ihr vertraut, und Anna drehte sich um. Long Tian, wer sonst als der kleine Chinese, Vertrauter ihres verräterischen Liebhabers, kreuzte an Bord ihren Weg!
    „Natürlich steckt Kit hinter meiner Entführung!“
    Die Miene des Leibdieners war nicht zu deuten. Er neigte seinen Kopf. „Die Umstände bedauere ich zutiefst. Doch laoye ließ sich nicht davon abhalten.“
    Anna fixierte ihn. Ein plötzlicher Schwindelanfall zwang sie, sich an der Reling festzuhalten, und Long Tian eilte ihr zu Hilfe.
    „Ihr solltet Euch ein wenig ausruhen. Das Betäubungsmittel ist noch nicht vollständig aus Eurem Organismus verschwunden.“
    Anna ließ sich unter Deck führen.
    „Woher kannst du auf einmal so perfekt Englisch?“
    Long Tian ging voraus, da sie nicht nebeneinander durch den Gang laufen konnten.
    „Ich lernte es bereits als Jüngling. Den radebrechenden Chinesen spiele ich nur.“
    „Und das erfolgreich“, murmelte Anna.
    Zu ihrer Überraschung kicherte Long Tian. „Es ist so leicht, in versnobten Adelskreisen den sprachunkundigen Ausländer zu mimen. Und wer die Sprache nicht beherrscht, gilt auch als dumm. Ihr ahnt nicht, was die Leute in meiner Gegenwart alles zu erzählen wagen.“
    „Was Kit zu seinem Vorteil ausnutzt.“
    „Der kluge Mann versteht zu nutzen, was ihm dient. Doch nur dem Weisen dient, was er zu nutzen weiß“, entgegnete Long Tian. Er öffnete die Tür zu Annas Kajüte.
    Bao saß auf ihrem Stuhl, riesige schwarze Augen in einem kalkweißen Gesicht.
    Long Tian redete auf sie ein. Was auch immer er zu ihr sagte, es half, dass ihre Haut wieder Farbe bekam.
    „Sie hatte Angst, Ihr tätet Euch etwas an.“
    „Warum ist sie mir dann nicht gefolgt?“ Anna sah Bao fragend an.
    „Ihr hattet es ihr verboten.“
    Anna runzelte die Stirn und ließ sich auf dem Bett nieder.
    „Und jetzt, wohin ist das Schiff unterwegs?“
    „Schanghai“, erklärte Long Tian.
    Anna sprang entsetzt auf und ignorierte den scharfen Schmerz, der ihre Schädeldecke beinahe zum Explodieren brachte. „Schanghai? Was soll ich denn in Schanghai? Das ist ja nicht mal mehr auf den Karten der zivilisierten Welt zu finden!“
    Long Tian betrachtete Anna beleidigt. „Für unser Dafürhalten existiert außerhalb Chinas kein zivilisiertes Land!“
    Anna bemühte sich, ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten.
    „Wo ist Kit? Ich glaube, ich muss einen Mord begehen!“, stieß sie hervor, wütend und zugleich dankbar, dass das Medikament endlich an Wirkung verlor und sie wieder Herrin über ihre Emotionen war.
    Bao streichelte Annas Arm. „Ruhig, taitai . Schanghai Baos Heimat. Wunderschön, werden sehen!“
    Anna tätschelte Baos Hand und wandte sich an Long Tian. „Kit ist doch an Bord?“ Sie schluckte die Furcht hinunter, die ihren Hals hinaufkroch. Er wollte sie nicht etwa allein ans andere Ende der Welt schicken?
    „Er hat uns angewiesen, dafür zu sorgen, dass es Euch an nichts fehlt.“
    „Das beantwortet nicht meine Frage!“, entgegnete Anna ungeduldig.
    „Er ist an Bord.“ Long Tian verschränkte die Hände hinter seinem Rücken.
    „Gut, bring mich zu ihm.“
    Long Tian verneinte. „Er hat mich beauftragt, ihn vorerst nicht zu stören.“
    Anna presste ihre Kiefer zusammen. Dieser

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