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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie de Velasco
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du blöd, oder beides, sagt sie und schaut mich wütend an, wenn es keine Menschenrechte gibt, dann stirbst du nicht, weil du was Schlimmes getan hast, sondern weil niemand dich schützt, das hat ja sogar der Kotz-Krüger verstanden!
    Tschuldigung, sage ich.
    Deine Mutter Tschuldigung, sagt Jameelah.
    Eine Weile sagt keiner was.
    Tschuldigung, sagt Jameelah irgendwann, aber weißt du, ich will gar nicht so sehr drüber nachdenken oder reden oder irgendwas. Erst recht nicht jetzt, weißt du, wo alles so unsicher ist. Ich verstehe das gar nicht, ich meine, die können uns nicht einfach so wegschicken.
    Hör auf, sage ich, die schicken euch nicht weg, du spinnst.
    Jameelah zieht die Augenbrauen zusammen.
    Meine Mutter, sagt sie, ich glaube, die hat irgendwie Scheiße gebaut.
    Scheiße gebaut, wieso?
    Nein, keine Scheiße gebaut, nur was Doofes gesagt bei der Ausländerbehörde oder so, was, das die nicht wissen sollten oder was die nicht wissen brauchten.
    Was denn?
    Nix Schlimmes, sagt Jameelah, nichts Verbotenes oder so, falls du das jetzt denkst.
    Denk ich gar nicht.
    Das ist nämlich nicht so, meine Mutter, die will ja immer so korrekt sein, weißt du, immer voll ehrlich sein und so.
    Weiß ich doch, sage ich, ich denk das gar nicht, ich denk eher, du machst dir zu viel Sorgen, sage ich und nehme Jameelahs Hand, aber Jameelah zieht ihre Hand wieder weg, sie springt vom Stromkasten und läuft auf ein Auto zu, das im Schritttempo an uns vorbeifährt. Die Fensterscheibe ist runtergekurbelt. Der Typ, der hinterm Steuer sitzt, hat eine Glatze, alt sieht er aus, bestimmt über 40, und der Schönste ist er auch nicht.
    Na, sagt der Typ, heute schon was vor?
    Kostet 100 Euro, sagt Jameelah und lehnt sich ganz cool und pomade an die halb offene Fensterscheibe.
    Der Typ kramt in seinem Handschuhfach herum und hält ihr zwei Fünfziger hin, sie steckt das Geld in eins der Ringelsstrumpfbündchen. Ich muss grinsen, sieht immer alles so echt aus, also wir, wie echte Nutten, nur dieses Mal, mit dem An-die-Fensterscheibe-lehnen, das ist schon fast Pretty Woman.
    Moment, sagt der Typ, als wir ins Auto steigen wollen, und zeigt auf einen Kindersitz, der auf dem Rücksitz befestigt ist, den muss ich noch in den Kofferraum packen.
    Als er damit fertig ist, sagt er, hereinspaziert, wie im Zirkus. Ich muss lachen. Im Auto riecht es nach Wunderbaum, und der Rücksitz ist voller Kekskrümel. Vor mir auf dem Boden steht ein Zehnerpack Capri-Sonne, bestimmt für seine Kinder.
    Ich bin übrigens Stella Stardust, sagt Jameelah, und das hier ist meine Freundin Sophia Saturna.
    Darf ich eine, frage ich und halte die Capri-Sonnen hoch.
    Klar, sagt der Typ und tritt aufs Gaspedal.
     
     
    Eigentlich hätten wir gar nicht erst ins Auto steigen müssen, denn der Typ fährt nur ein paar Straßen weiter bis zum Nollendorfplatz und hält vor einer Thai-Bar. Thai-Bars sehen alle gleich aus, vorn mit pinker Leuchtschrift, das ganze Fenster voll kleiner Buddhas und überall diese goldenen Katzen, die pausenlos mit dem linken Arm winken, ich hab irgendwie Angst vor denen. Innen drin ist alles blitzsauber, die Theke, die kleinen Tische mit den Plastikblümchen und Kerzen in der Mitte, der Boden, die Fensterbänke, alles sieht aus, als wenn ständig feucht drübergewischt würde, selbst die Daddelkiste, die neben der kleinen Tanzfläche in einer Ecke steht, ist blitzsauber.
    Hast du schon mal so was Sauberes gesehen, flüstere ich Jameelah zu.
    Ich glaube, das muss so sein, sagt sie, das ist wie auf dem Schlachthof oder so, weißt du, da, wo Drecksarbeit gemacht wird, muss man besonders auf die Sauberkeit achten.
    Hinter der Theke steht eine kleine Thai-Frau, sie lächelt, in der Glotze über ihr läuft Hallo Deutschland, auf stumm geschaltet.
    Wassum tinken?
    Tigermilch, sagt Jameelah und grinst, und während sie der Frau an der Bar zu erklären versucht, was Tigermilch ist, schaue ich mir den Typen an. Er hat einen Dreitagebart und eine Lederjacke mit Bündchen an, dazu Jeans und New-Balance-Turnschuhe. An seinem Ohr hat sich ein langes blondes Haar verfangen, bestimmt von seiner Frau oder von seiner Tochter. Vielleicht haben sich die Frau oder die Tochter, kurz bevor er zur Kurfürsten gefahren ist, noch mal fest an ihn gedrückt, dabei ist das Haar hängen geblieben, denke ich, und dass ich vielleicht Detektivin werden sollte, aber dafür braucht man sicher Abi.
    Wie alt ist denn dein Kind und wie heißt das, frage ich.
    Ich hab kein Kind, sagt der

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