Tigermilch
mit dem da passiert, fragt Jameelah.
Das war friendly fire.
Das ist, wenn man nicht die Bösen, sondern aus Versehen die Guten erschießt, oder, sagt Jameelah.
Genau, sagt der Typ.
Und? Kanntest du den?
Wen, fragt der Typ.
Den, der das da gemacht hat, sagt Jameelah.
Ja, da kennen sich alle gut, sagt er und legt die Hände um Jameelahs Hüften.
Ist ja schlimm.
Besser, es war einer von uns als einer von denen, sagt er.
Wieso, sagt Jameelah.
Na ja, ist nicht der Schmerz, der schlimm ist oder das appe Bein. Schlimm ist, dass da ein Irrer ist, der dir was antun will. Gewalt ist, wenn dir jemand was Böses will, nicht der Schmerz an sich, sondern die Absicht.
Aha.
Ich verstehe nur Bahnhof, deswegen sage ich, Krieg ist echt scheiße, das kommt immer gut, aber der im Rollstuhl sagt, was wisst ihr schon.
Komm, jetzt keine traurigen Geschichten, sagt der Kindersitztyp und haut ihm auf die Schultern, ist doch dein Geburtstag.
Lass mich, sagt der im Rollstuhl und schaut nach unten.
Ganz still wird es, keiner sagt was. Ich schaue Jameelah an, der Kindersitztyp schaut uns an, und der im Rollstuhl starrt weiter auf die Stelle, wo seine Beine sein sollten, da fängt Jameelah plötzlich an, laut loszulachen.
Was gibts denn da zu lachen, sagt der Kindersitztyp, total sauer sieht er aus.
Gar nichts, quiekt Jameelah, gar nichts, aber da ist es schon zu spät, sie schaut mich an, die Hand vor dem Mund, ihre Augen zu kleinen Schlitzen verengt, sie wirft den Kopf in den Nacken und lacht so laut, dass ich ihr in den Rachen sehen kann, bis aufs Zäpfchen runter, und das sieht so irre aus, dass ich auch anfangen muss zu lachen.
Aufhören, sagt der Kindersitztyp.
Sei doch nicht so streng mit denen, sagt der im Rollstuhl und grabscht Jameelah, die immer noch auf seinem Schoß sitzt, an die Brüste. Ich glaube, wenn er könnte, würde er Hoppe Hoppe Reiter mit ihr spielen, und bei der Vorstellung muss ich schon wieder laut loslachen, obwohl das ja eigentlich gar nicht lustig ist. Ich weiß ja selber nicht, wieso wir so lachen, keine Ahnung, ist einfach irgendwie alles so bescheuert, ich meine, wir wollten doch nur einen Liebeszauber machen, wir haben auf dem ganzen Spielplatz Rosenblätter gestreut, das ist einfach zum Totlachen.
So, jetzt wird ausgetrunken, sagt der Kindersitztyp und knallt uns die Gläser vor die Nase.
Wieso, warum denn, sagt Jameelah.
Weil wir noch woanders hingehen.
Das mit mir und Jameelah und der Kurfürsten, das weiß niemand, niemand außer uns beiden. Dafür gibt es jede Menge Gründe. Die Leute würden sich nur Sorgen machen, allein Nico, wenn der das wüsste, der würde mir wahrscheinlich eine runterhauen. Uns kann aber im Grunde nichts passieren, wir haben nämlich die Hunde, die Grimms. Es sind zwei große schwarze Hunde, sie heißen beide Grimm, das hat Jameelah aus einem Buch. Es gibt sie nicht in echt, aber in unserer Vorstellung laufen sie neben uns her, wie zwei Leibwächter. Ich denke nicht immer an sie, nur wenn ich mich komisch fühle, dann tauchen sie auf und laufen im Kreis um uns rum, sodass niemand an uns rankommt. Ich bin nicht blöd oder so, die Hunde beschützen uns, und das schon eine ganze Weile. Es gibt die übelsten Typen auf der Welt, Typen, die einem im Vorbeilaufen zwischen die Beine fassen und solche Sachen, alles schon vorgekommen. Seitdem es die Hunde gibt, passiert so was nicht mehr, ehrlich, wenn ich mich wirklich auf die Grimms konzentriere, dann wechseln Männer, vor denen ich Angst habe, sogar die Straßenseite, ist alles nur eine Frage der Konzentration. Deswegen habe ich selbst jetzt keine Angst.
Wir waren noch nie mit jemandem auf einem Hotelzimmer. Der im Rollstuhl ist schon total voll, der verträgt gar nichts, weiß nicht, ob das mit seinen Beinen zu tun hat oder vielleicht, weil er so ein Hemd ist. Der Kindersitztyp hat auch schon gut einen im Tee und wir sowieso. Der Fahrstuhl geht auf, wir stolpern den Gang runter bis zum hintersten Zimmer.
Sophia Saturna, ich glaube, diesmal müssen wir mit denen pennen, flüstert Jameelah mir zu.
Kann sein, sage ich.
Vielleicht ist das alles gar nicht so schlimm, vielleicht ist es sogar besser so, denke ich, dann haben wir es wenigstens endlich hinter uns, dieses dämliche erste Mal. Und wer weiß, vielleicht ist gerade heute der richtige Tag, vor allem, wenn es bluten sollte, würde doch wie Arsch auf Eimer passen, fast schon poetisch wäre das. Noura sagt immer, man soll so leben, dass das eigene Leben im
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