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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie de Velasco
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Berkenkamp, ich sorge dafür, dass du morgen vor der OP tief einschläfst. Dazu bekommst du von mir eine Spritze, und dann schicken wir dich auf eine schöne Insel, was meinst du?
    Find ich gut, sage ich.
    Er setzt sich zu mir aufs Bett, seine Augen sind tiefblau, wie die von Tarik.
    Darf ich auch mit auf die Insel, fragt Jameelah und fläzt sich in den Korbstuhl neben dem Fenster.
    Der Chef lacht. Mit seinen kühlen Fingern betastet er vorsichtig meinen Hals. Er klopft auf meinen Wangenknochen herum und fragt, ob mir das wehtut, dann schaut er mir in den Hals.
    Was magst du lieber, Griechenland oder Italien, fragt er und wirft das Holzdings in den Müll neben meinem Nachttisch.
    Italien.
    Gut, dann kommst du auf eine schöne italienische Insel.
    Von mir aus, sage ich, Hauptsache Narkose.
    Nicht, dass ich dich am Ende wie Dornröschen wecken muss, sagt der Chef und kneift mir dabei in die Wange, seine Hände riechen nach teurem Parfüm, und ich denke nur, dass ich es gar nicht schlimm fände, wenn er mich wie Dornröschen wecken würde.
     
    Am nächsten Morgen weckt mich eine Schwester. Sie rollt mich in meinem Bett auf den Gang hinaus zum Aufzug. Wir fahren in den Keller, vorbei an Neonleuchten und durch schwere Glastüren, die aufschwingen, und irgendwann ist da der Chef. Ich kann ihn an seinen blauen Augen erkennen, sein restliches Gesicht ist mit einem Mundschutz bedeckt.
    Jetzt geht es auf nach Capri, sagt er, piekt mir in den Arm und befestigt einen langen Schlauch daran, aber danach ist da gar nichts mehr, kein Capri, überhaupt nichts.
    Langsam werde ich wieder wach. Mama und Jessi sitzen am Tisch neben dem Fenster. Jessi spielt mit ihrer Glibberklatschhand, und Mama schaut raus in den Park, und das Erste, was ich mich frage, ist, was Mama wohl geantwortet hätte, Italien oder Griechenland.
    Nini, ruft Jessi, springt auf und setzt sich ans Bettende, du siehst aus wie ein behinderter Chinese.
    Selber, sage ich. Tut ganz schön weh beim Reden. Die Fäden im Kiefer spannen.
    Wie geht es dir, fragt Mama.
    Geht so.
    Mama schaut auf die Uhr.
    Wir müssen los, sagt sie und küsst mich zum Abschied auf die Stirn, du hast so lang geschlafen.
    Ist schon in Ordnung, sage ich und döse wieder ein.
    Ich werde erst wieder wach, als die Schwester auf einem Wagen zwei Tabletts hereinschiebt. Auf dem einen ist normales Essen, auf dem anderen, das die Schwester mir lächelnd auf den Nachttisch stellt, ein Plastikbecher mit Püriertem, sieht aus wie Durchfall mit Strohhalm. Missmutig fange ich an zu schlürfen.
    Komm, noch einen Happen, sagt die Schwester und hält der Verbrannten ein Stück Bratwurst unter die Nase, aber als die immer wieder den Kopf wegdreht, lässt die Schwester es irgendwann sein. Als sie zur Tür geht, kommt Jameelah rein.
    Grinsend schaut sie auf meinen Becher mit Durchfall.
    Na, schmeckts?
    Ha, ha.
    Hab ichs nicht gesagt?
    Da kriegt die so ein tolles Essen und rührt es nicht mal an, flüstere ich und zeige mit dem Kopf rüber zu dem verbrannten Mädchen.
    Die ist bestimmt privat versichert, wetten.
    Ich hab Hunger.
    Na, dann hols dir doch, sagt Jameelah.
    Sehr witzig.
    Was denn, traust du dich nicht, sagt sie und geht rüber zum anderen Bett.
    Hallo, sagt sie, dein Essen wird kalt, hallo, sagt sie wieder und wedelt mit den Händen vor dem Gesicht des verbrannten Mädchens herum. Ich muss kichern.
    Na dann, drauf geschossen, sagt Jameelah, schnappt sich das Tablett und setzt sich zurück zu mir.
    Gib mir auch was, sage ich, aber Jameelah schüttelt den Kopf und schiebt sich genüsslich ein Stück Bratwurst in den Rachen.
    Du hast dich nicht getraut, schlürf mal schön deinen Durchfall.
    Komm, nur ein Stückchen von der Bratwurst.
    Mensch, du sollst mit den Fäden im Mund nichts Festes essen, dann gehen die auf, und dann gibts eine Riesensauerei.
    Dann matsch mir wenigstens ein Stück Brotwurst klein.
    Brotwurst, Brotwurst ist gut! Aber drauf geschossen auch, oder?
    Gib her.
    Nein, sonst klingle ich nach der Schwester, sagt Jameelah und legt ihre Hand auf den roten Knopf neben meinem Bett.
    Alte Erpresserin, sage ich.
     
     
    Mich weckt das quietschende Geräusch vom Essenswagen. Ein süßer Typ in weißen Klamotten kommt herein.
    Entschuldigung für die Verspätung, sagt er und nimmt das Tablett mit dem Durchfall in die Hand. Unsicher schaut er zu mir rüber.
    Das ist für die da, sage ich und zeige auf das verbrannte Mädchen.
    Tut mir leid, ich mache heute nur Vertretung, sagt er und stellt mir

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