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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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können warten. So haben wir es mit den Sowjets gemacht. Es hat fast ein halbes Jahrhundert gedauert, aber am Ende haben wir sie zerlegt, kleingekriegt. Jetzt wollen sie sein wie wir. Hamburger essen und sich mit Mickey Mouse fotografieren lassen. Arme Irre.«
    »Verlass dich nicht darauf, Harry. Auch wir können warten. Wir Latinos sind die Kinder der Geduld, Erben der Hartnäckigkeit. Das praktizieren wir seit Jahrhunderten, Jahrtausenden.«
    » Bullshit. Das sind Mythen, von denen du zehrst. Das ist alles.«
    »Möglich. Wahrscheinlich. Wer weiß?«
    »Es ist spät. Ich muss gehen.«
    »Warte. Als du damals weggefahren bist, was für ein Gesicht hat Heriberto gemacht?«
    »Er war schon weg. Zamudio selbst hatte ihm gesagt, er solle sich keine Gedanken machen, seine Männer würden den Spielclub sauber hinterlassen.«
    Morgado war erschöpft. Er wusste nicht, was er Dávalos noch hätte fragen können. Jetzt sah er das Verbrechen als einfarbiges Bild vor sich. Die Hauptakteure waren zu erkennen, und der inexistente Spielsalon nahm allmählich reale Gestalt an. Aber die möglichen Motive für die Ermordung Heribertos reichten von seiner Eliminierung als kompromittierender Zeuge durch Zamudio bis hin zu nicht bezahlten Spielschulden im Treinta-Treinta. Es war an der Zeit, das Reich von Doña Matilde kennen zu lernen.
    Als er aus der Dunkelheit der Bar kam, fühlte Morgado sich von der Helligkeit geblendet. Die Häuser verwandelten sich in phantasmagorische Erscheinungen. Die Hitze war um sechs Uhr abends immer noch gewaltig. Er verabschiedete sich von Harry Dávalos, gab ihm aber vorher noch die Telefonnummer seines Hotels.
    »Wenn ich etwas erfahre, geb ich dir Bescheid«, sagte Harry. »Aber ich bin nicht so dumm, das telefonisch zu machen. In Baja California gibt es zu viele Vögel auf den Drähten, zu viele neugierige Ohren. Be careful. «
    Morgado hörte nicht richtig hin. In seinem Kopf kreisten alte, schmerzhafte Bilder: das Labyrinth aus falschen Fährten und Sackgassen, in das sich seine Ermittlung im Mordfall Manuel Buendía entwickelt hatte. Eine unabhängige Ermittlung, die er koordiniert hatte und bei der er am Stumpfsinn der Polizeibürokratie abgeprallt war.
    Jetzt lag der Fall ähnlich. Und auch wieder anders: Hier war das Opfer ein gewöhnlicher, unbekannter Mann, ohne jedes Heldentum oder öffentliche Karriere, ohne sonderliche Qualitäten oder Fehler. Was den Mord an Heriberto mit dem an Buendía verband, war die Straffreiheit, die fehlende Gerechtigkeit. Hör auf, wie ein Anwalt zu denken, sagte er sich, das ist kein Kolloquium über die Menschenrechte. Das ist die Wirklichkeit. Und darin gibt es keine Rechte. Nur ungelöste Todesfälle. Anonyme Leichen, die sich in Mexiko in einem Gemeinschaftsgrab anhäufen, das sich über das ganze Land erstreckt.
    Ein Schauer durchzuckte ihn.

17
     
    Kaum hatte er die Grenze überquert, merkte er, dass etwas nicht stimmte. Im Rückspiegel tauchten zwei Suburbans auf, die ihn mit einigem Abstand verfolgten. Er hatte nur die Wahl, anzuhalten und zu sehen, was sie wollten – wahrscheinlich ihn töten – , oder ordentlich Gas zu geben. Morgado blieb keine Zeit, sich zu entscheiden. Ein schwarzer Pick-up rammte ihn von der Seite und drängte ihn in eine Ackerfurche. Er verlor die Kontrolle über seinen Wagen und prallte gegen einen Pfeiler. Morgados Kopf knallte gegen die Windschutzscheibe.
    Es roch verbrannt, aus dem Motor stieg dichter Rauch auf. Wie ein fernes Echo vernahm er eine Frauenstimme. »Er explodiert, er explodiert. Unternehmt doch was.«
    Jemand öffnete die Tür und zog ihn brutal aus dem Wagen. Morgado wollte gehen, aber die Leute, die ihm halfen, hinderten ihn daran. Ein Suburban hielt neben ihm, und er wurde hineingeschoben. Eine Explosion erschütterte die Luft. Für die Zuschauer waren die Helfer nur gute Samariter. Für die guten Samariter war es lediglich eine gelungene, sauber durchgeführte Operation. Für Morgado war es einer der schlimmsten Albträume seines Lebens.
    »Wie sieht er aus?«, fragte eine Stimme.
    »Nur Prellungen. Nichts Ernstes.«
    Morgado war immer noch durcheinander und desorientiert. Umso mehr als der Wagen, der ihn transportierte, mit Höchstgeschwindigkeit fuhr und dauernd überholte und bremste.
    »Was wollen Sie?«, brachte er gerade noch heraus.
    »Von dir nichts, Romantiker.«
    Morgado erkannte die Stimme. Es war der Barkeeper aus der Santa-Clara-Bar. Adolfo, ja, so hieß er.
    »Comandante Zamudio will dich

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