Tim Burton: Der melancholische Magier. Mit einem Vorwort von Johnny Depp (German Edition)
damals viel über meine Eltern nachdachte. Es war also gut, dass es so überraschend passierte …
Wallace’ Buch ist eher eine Sammlung von Kurzgeschichten über die Abenteuer von Edward Bloom als ein Roman. John August, der kurz zuvor selbst seinen Vater verloren hatte, musste eine Möglichkeit finden, die Erzählungen in ein stringentes Drehbuch zu verwandeln. Er bedient sich dabei verschiedener Erzähler – darunter auch Edward und Will –, sodass in dem Film der Vorgang des Erzählens beinahe genauso wichtig wird wie die Geschichte selbst.
B IG FISH kommt nicht ganz an Rashomon heran, aber die Geschichte lässt einem viele Freiheiten, und das hat mir daran so gefallen. In gewisser Hinsicht ist der Film ED WOOD sehr ähnlich – das war auch keine Biografie im klassischen Sinne, weil es so viele verschiedene und sich widersprechende Sichtweisen der damaligen Ereignisse gab. Und so fühlt es sich für mich auch irgendwie realer an. In England gibt es oft Sendungen mit Historikern im Fernsehen, die behaupten, Heinrich VIII . hätte dies oder jenes getan. Und ich frage mich dann immer: Woher wollen die das wissen? Vielleicht war das alles ganz anders?
Den Roman Big Fish habe ich erst eine ganze Weile nach dem Drehbuch in die Hände bekommen, und ich weiß nicht, ob ich mich zu dem Projekt bereit erklärt hätte, wenn ich ihn schon früher gelesen hätte. Er enthält eine Menge interessanter Ideen, aber es mangelt ihm an innerem Zusammenhalt. Für John war das wahrscheinlich von Vorteil, weil er sich nicht so eng an die Vorlage halten musste. Man kann sich ein paar Freiheiten erlauben, und das muss man auch, wenn dieGeschichte in ein anderes Medium übertragen werden soll. Ich finde, John hat gute Arbeit geleistet. Er hat einiges aus dem Buch übernommen, aber dem Ganzen mehr Struktur gegeben. Eine wirklich seltsame, mosaikartige Struktur – alles hängt irgendwie zusammen, was am Anfang unheimlich kompliziert erscheint, aber eigentlich recht einfach ist. Ich fand, dass das sehr gut zur Beziehung der Hauptfiguren passt. Meiner Meinung nach hat John der ganzen Geschichte damit deutlich mehr Tiefe gegeben.
Norther Winslow (Steve Buscemi)
Wenn man mit einem Projekt bei einem Studio unterkommen will, muss man normalerweise in der Lage sein, den ganzen Film in einem Satz zusammenzufassen, sonst hat man keine Chance. Es war deshalb schön, ein Drehbuch zu haben, das mir und dem Studio gefiel und an dem niemand etwas verändern wollte. Es war auch eine relativ schwierige Geschichte, dieses Oszillieren zwischen Realität und Fantasiewelt, die Doppelrollen von Albert und Ewan, Jessica und Alison, wobei eine Figur eine idealisierte Version einer anderen ist. Das sind alles Teile eines Puzzles. Dass das Studio trotzdem bereit war, den Film zu machen, obwohl es nicht mal einen Star für die Vermarktung gab, fand ich wirklich erstaunlich. Es war sehr angenehm, mal mit einem fertigen Drehbuch zu arbeiten, das nicht im Laufe der Vorbereitungen komplett umgeschrieben wurde. Vor den Dreharbeiten habe ich zu den Studioleuten gesagt: »Dieser Film wird nicht leicht zu vermarkten sein, weil er sich nur schwer erklären lässt. Und die Bilder darin eignen sich auch nicht unbedingt für die Werbung.« Es tauchen zwar Riesen und Hexen auf, aber sie spielten im Vergleich zu anderen Filmen keine tragende Rolle. Was für das Studio problematisch war, machte für mich allerdings den besonderen Reiz des Projekts aus.
Man muss immer ein paar kleine Änderungen am Drehbuch vornehmen – hauptsächlich aus Budgetgründen. Die Geburtsszene zum Beispiel ist erst später hinzugekommen, weil wir eine große Szene auf einem Hügel mit Hunderten Statisten hatten. Und dann haben wir noch die Badewannenszene reingenommen, weil wir Albert und Jessica zum Ausgleich einen intimen Moment geben wollten. Der kleine Karatekampf im Dunkeln mit Ewan ist ebenfalls in letzter Minute entstanden, weil er sich so einfach umsetzen ließ. Darüber hinaus haben wir uns noch ein paar Kleinigkeiten ausgedacht, zum Beispiel das»Handi-Matic«. Im Drehbuch verkauft Edward Schraubenzieher, aber wir wollten gern etwas, das besser in seine Welt passt. Viele dieser Ideen wurden noch am selben Tag umgesetzt, andere ein paar Tage später. Die Requisitenabteilung ist dabei ziemlich ins Schwitzen gekommen, weil sie nur so wenig Zeit für die Vorbereitung hatte. Aber ich glaube, den meisten Leute hat es Spaß gemacht. Man hat das Gefühl, spontan und kreativ zu sein, anstatt
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