Tim (German Edition)
genau im richtigen Moment, bevor ich mich entweder auf Charlie stürzte oder aus Frust in Tränen ausbrach. Auch Charlie wirkte erleichtert und wir verringerten eine Zeit lang unser Tempo, um eine Weile mit den beiden auf gleicher Höhe zu paddeln.
Mir gingen eine Menge Gedanken durch den Kopf. In erster Linie war ich froh darüber, dass Charlie mich nicht einfach anlog und alles abstritt. Auf der anderen Seite machte mir das weiter Hoffnung. Ich bin mir sicher, dass auch Charlie klar war, dass ich nicht locker lassen würde. Und ich wusste, dass er alles versuchen würde, um mich zu entmutigen. Warum musste das so kompliziert sein? Konnten wir uns nicht einfach verlieben und schauen, wohin das führt?
Für eine halbe Stunde sagten weder Charlie noch ich ein Wort. Mit einem Ohr hörte ich Carl und Franklin beim Smalltalk zu, besonders interessante Themen waren nicht dabei. Kurz darauf gingen wir zum Mittagessen an Land und warteten auf die anderen Boote. Charlie vermied beim Essen jeden Blickkontakt mit mir, was mich fast wahnsinnig machte. Ich wollte zu ihm gehen, ihn umarmen, ihn küssen und vor allem wollte ich ihm sagen, dass er keine Angst vor seinen Gefühlen haben sollte. Warum musste das alles so schrecklich kompliziert sein?
Kapitel 11: Charlie
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Nach dem Essen wusste ich noch immer nicht, was ich machen sollte. Ich spürte ständig Tim‘s Blicke auf mir und bemerkte auch, dass Franklin uns immer wieder neugierig beobachtete. Ich war mir zwar ziemlich sicher, dass er noch nicht 1 und 1 zusammen gezählt hatte, darauf anlegen wollte ich es aber auch nicht. Ich wollte mir auch gar nicht vorstellen, was passieren könnte, wenn plötzlich Gerüchte aufkamen, ich hätte etwas mit einem der Jungs. Das wäre eine Katastrophe, nicht nur für mich, sondern auch für Tim. Noch bevor ich mir dieses Szenario ausmalen konnte, ging es aber zurück in die Kanus und wir setzten unseren Trip fort. Ich spielte sogar eine Weile mit dem Gedanken, das Boot zu wechseln, um nicht in Tim‘s Nähe sein zu müssen. Ich war mir aber sicher, dass Tim da nicht mitspielen würde. Also verwarf ich diesen Gedanken wieder.
Eine ganze Weile herrschte Funkstille zwischen Tim und mir. Ich ging im Kopf noch einmal meine Optionen durch. Hatte ich überhaupt welche? Ich konnte sämtliche Gefühle für Tim abstreiten. Das hieß aber, dass ich ihn belügen musste. Eine Notlüge? Gibt es so etwas überhaupt? Der Gedanke gefiel mir gar nicht, also war diese Option eigentlich auszuschließen. Die zweite Möglichkeit wäre, Tim meine Gefühle zu gestehen, aber auch zu betonen, dass sie unangemessen waren und dass wir uns von einander fernhalten mussten. Daran müsste ich mich dann auch halten. Aber wie konnte ich Tim dazu bringen, sich ebenfalls daran zu halten? Vermutlich wäre das die einzige sinnvolle Option, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass Tim das akzeptieren würde. Die dritte Möglichkeit wäre, ihm meine Gefühle zu gestehen und mit Tim gemeinsam zu überlegen, wohin diese Beziehung führen könnte. Mit dem Altersunterschied, der Entfernung zwischen Minneapolis und Rockford und der einfachen Tatsache, dass es für vier Jahre keine Beziehung im eigentlichen Sinne geben dürfte. Ich fand einfach keine Lösung und dachte mir, dass es keinen Sinn macht, alleine darüber nachzudenken.
Nachdem wir wieder genug Abstand zu den anderen hatten, beschloss ich, Tim in die Überlegungen einzubeziehen. Ich legte ihm meine drei Optionen offen und fragte ihn nach seiner Meinung.
»Lass uns doch einfach die letzte Option erkunden. Du musst mir nichts gestehen. Lass uns einfach die folgende These aufstellen: Charlie und Tim sind total verrückt nach einander. Wie geht es weiter und wohin kann das führen?«
»Nirgendwo hin«, antwortete ich.
»Nein, nicht nirgendwo hin. Irgendwo hin muss es führen. Wir müssen nun heraus finden, wohin.«
»Tim, du baust dir hier selbst eine Falle. Bevor du 18 bist, würde rein gar nichts passieren. Unter keinen Umständen. Ich kann keine Beziehung mit einem 14-jährigen Teenager eingehen. Ganz davon zu schweigen, was deine Eltern oder Stanley dazu sagen würden. Aber lassen wir die letzten beiden Punkte mal beiseite. Vier Jahre, in denen du andere Jungs kennen lernst, auch schwule und geoutete Jungs. Du könntest dich um wundervolle Erlebnisse oder vielleicht sogar die Liebe deines Lebens betrügen.«
Tim dachte einen Moment darüber nach. »Okay, ich verstehe deinen Punkt. Aber du liegst falsch. Ich
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