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Tim (German Edition)

Tim (German Edition)

Titel: Tim (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Jäger
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und muss mein T-Shirt an lassen«, antwortete ich mit einem genauso breiten Grinsen.
    »Mist, der Punkt geht an dich.«
    Ich drehte mich wieder nach vorne um und wir paddelten ruhig weiter. In meinem Kopf herrschte Hochbetrieb und ich dachte über Tim nach. Ich fragte mich, was ihm wohl durch den Kopf ging. Was fand Tim nur an mir? Wahrscheinlich war es einfach die Tatsache, dass ich der erste schwule Mann war, den er kannte. Oder zumindest der erste, der es ihm gegenüber zugab. Das war es wahrscheinlich, was er anziehend fand und nicht ich als Person. Aber wie konnte ich ihn dazu bringen, das selbst zu erkennen? Er musste doch verstehen, dass eine Beziehung, ganz gleich welcher Art, zwischen mir, einem 20-jährigen Mann, und ihm, einem 14 Jahre alten Jungen, völlig undenkbar ist. Zudem war ich sein Betreuer, ein weiteres absolutes No-Go. Noch bevor ich eine Antwort auf meine vielen Fragen fand, kamen wir auch schon auf der anderen Seite des Sees an. Ich hüpfte aus dem Kanu und zog es an Land. Wir mussten ein paar Minuten warten, bis auch die anderen Boote ankamen.
    Jeff, Programmdirektor des Camps und für den Ausflug verantwortlich, teilte die Kanus neu ein, um die Geschwindigkeiten der Teams auszugleichen. Er dachte darüber nach, Tim und mich zu trennen, konnte sich aber nicht entscheiden, mit wem er uns zusammen einteilen sollte. Tim‘s böser Blick machte Jeff aber schnell klar, dass er uns nur über Tim‘s Leiche trennen würde.

    Nachdem wir zwei weitere kleinere Flüsse durchquert hatten, lag nun der längste Teil unserer Tour vor uns. Jeff schätzte, dass wir zwischen vier und fünf Stunden unterwegs sein würden. Es war das erste Mal, dass das Camp eine so lange Tour organisierte und niemand war sich wirklich sicher, wie lange es dauern würde.
    »Tim und du, ihr führt die Gruppe an, ich fahre als letzter. Alle anderen bleiben zwischen uns, okay?« schlug Jeff vor. Alle stimmten zu und wir legten ab.
    Mit dem Rücken zu Tim war es nicht einfach, sich zu unterhalten. Wir versuchten, uns auf das Paddeln zu konzentrieren, machten hier und da einen Kommentar über das Wetter, die anderen Jungs oder wo und wann wir zum Mittagessen halten würden.
    Meine Gedanken schweiften wieder zu Tim ab und ich stellte mir die gleichen Fragen wie zuvor. Was sah Tim in mir? Ich wusste es einfach nicht. Was sah ich in ihm? Wobei die Frage eher lauten müsste: was sah ich nicht in ihm? Er war einfach umwerfend, intelligent, geistig schon viel weiter als so mancher Erwachsener, sportlich. Ich denke ich könnte die Liste, die ich in meinem Kopf aufstellte, endlos fortsetzen. Mir wurde bewusst, dass ich tatsächlich mehr für ihn empfand, als ich mir selbst eingestehen wollte. Aber er war erst 14 und damit absolut tabu. Eine solche Beziehung konnte nur in einem Desaster enden. Tim wusste das auch, da war ich mir sicher. Aber dennoch gab er anscheinend nicht auf und versuchte immer wieder, diese Grenzen auszureizen.
    Ich riss mich von meinen Gedanken los und schaute mich um. Wir waren ziemlich weit von den anderen Kanus entfernt. Ich schlug Tim vor, eine Pause einzulegen, damit die anderen Kanus zu uns aufschließen konnten. Tim stimmte zu und nutzte die Gelegenheit gleich, um das Thema anzusprechen, dem ich eigentlich lieber aus dem Weg gehen wollte.
    »Charlie, ich habe mich Hals über Kopf in dich verliebt«, sagte er aus heiterem Himmel.
    »Was?«, war meine äußerst intelligente Antwort.
    »Du hast mich ganz genau verstanden. Ich war mir nicht hundertprozentig sicher, aber ich habe dich den ganzen Vormittag beobachtet. Ich kann meine Augen einfach nicht von dir lassen und hier im Kanu brauche ich es auch nicht.« Tim grinste schelmisch und ich sah wieder dieses Funkeln in seinen Augen. »Ich wünschte, du würdest dieses verdammte T-Shirt ausziehen. Und die Badehose. Und —«
    »Du überschreitest wieder Grenzen«, sagte ich in der Hoffnung, das Thema an dieser Stelle abwürgen zu können. Tim ließ mich allerdings nicht so leicht vom Haken.
    »Ich weiß. Und genau das habe ich auch vor.«
    »Tim, das geht nicht.« Er machte es mir wirklich schwer und ich spürte, dass mein Widerstand zu bröckeln begann. Ich konnte das nicht zulassen. Warum verstand er das nicht?
    »Ich weiß, dass ich keine physischen Grenzen überschreiten kann. Aber ich denke, darüber zu reden, deine Badehose loszuwerden, geht nicht zu weit. Ich akzeptiere keine verbalen Grenzen.«
    »Ob du sie akzeptierst oder nicht spielt keine Rolle. Ich muss

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