Tim (German Edition)
überraschen. Aber ich glaube nicht, dass er schwul ist.«
Ich schüttelte mit dem Kopf.
»Dieser Hal?«, fragte mein Vater.
Ich schüttelte erneut den Kopf.
»Wenn du es uns jetzt nicht sagen möchtest, ist das in Ordnung«, sagte Mom. »Ich weiß, dass du mit uns reden wirst, wenn du soweit bist.« Das war ihr Versuch, mich dazu zu bringen, gleich mit der Sprache raus zu rücken. Ihre Art der Manipulation sozusagen. Und es klappte. Ich musste es auch sagen, sonst wäre ich noch geplatzt. Es musste einfach raus.
»Nein, ist schon gut«, antwortete ich und holte tief Luft. »Es ist Charlie.«
»Was?« Das war die Reaktion von allen dreien, schön im Chor. Wieder musste ich mir ein Lachen verkneifen.
Mom war die erste, die sich von dem offensichtlichen Schock erholt hatte. »Warum Charlie?«
»Ich kann es dir nicht erklären«, sagte ich. »Es ist einfach so.«
»Wann?« Das war mein Vater.
»Als er uns auf dem Parkplatz begrüßt hat. Als er mir die Hand schüttelte, war ich hin und weg. Ich brauchte ein paar Tage, um es zu realisieren. Aber genau in diesem Moment habe ich mich ihn ihn verliebt.« Meine Eltern starrten mich ungläubig an und Carl brach in Gelächter aus.
»Oh, Brüderchen. Charlie ist klasse, aber er ist viel älter als du.«
»Na und? Das ist mir egal«, sagte ich trotzig.
Dad fand seine Stimme wieder. »Hast du es ihm gesagt?«
Ich nickte. »Ja«, sagte ich und schwieg einen Moment.
»Wie hat er reagiert?«, wollte Mom wissen.
»Er hat mir gesagt, dass er sich auch in mich verliebt hat.«
»Was?«, sagten alle drei, wieder gleichzeitig. Dieses Mal konnte ich mir das Lachen nicht verkneifen.
»Du machst Scherze?« fragte Mom.
»Nein«, erwiderte ich. »Es ist mein voller Ernst.«
»Was gibt es dann zu lachen?« Das war Carl.
»Ihr solltet mal eure Gesichter sehen, dann wüsstet ihr es.«
»Habt ihr miteinander —« begann Mom aufgeregt zu sagen, aber ich unterbrach sie.
»Nein«, sagte ich schnell. »Natürlich nicht. Wobei ich nichts dagegen —«
»Tim!« Diesmal unterbrach mich Dad.
Einen Moment lang schauten wir uns einfach nur an. Mom seufzte und holte tief Luft.
»Ich finde, wir sollten uns erstmal alle ein bisschen beruhigen«, schlug sie vor. Nachdem wir alle eine Minute durchgeatmet hatten, fragte sie weiter. »Möchtest du uns mehr erzählen? Ich würde es gerne verstehen.«
»Ja, alle perversen Details«, mischte sich Carl ein. Ich trat ihn unter dem Tisch vor sein Schienbein. »Autsch!«
»Es gibt keine schmutzigen Details. Tut mir leid, Carl.«
»Verdammt! Ich hatte mich schon so gefreut.«
»Carl!« Das war natürlich Mom. Ich wartete eine Minute.
»Also...«, begann ich und erzählte die ganze Geschichte. Wie ich mich in Charlie verliebte, wie ich ihn dazu bringen wollte, das zu erkennen. Wie er mich immer wieder weg geschoben und auf Abstand gehalten hatte und wie er immer wieder betonte, dass er das nicht zulassen könnte. Wie wir uns im Kanu in die Haare bekamen, unsere Diskussionen, die immer mit dem gleichen Bullshit geendet haben und die Versprechen, die wir uns gegeben hatten. Ich ließ nichts aus, kein noch so kleines Detail, an das ich mich erinnern konnte.
»Das erklärt, warum ihr auf der Kanutour so stinkig auf einander wart. Ich hätte es wissen müssen«, erklärte Carl. »Ich hätte es wirklich wissen müssen«, wiederholte er, schüttelte aber ungläubig mit dem Kopf.
»Und ihr hattet keinen —«, begann Mom erneut.
»Wofür hältst du Charlie? Nein, wir hatten keinen Sex.« Das leider sparte ich mir an dieser Stelle lieber. »Wir haben uns nur geküsst. Ein einziges Mal, kurz bevor ihr heute Mittag gekommen seid. Und wir haben beide brav die Finger bei uns behalten.«
Unsere Eltern schwiegen eine Weile und sagten, dass sie darüber nachdenken mussten. An diesem Abend führten sie ein Gespräch unter vier Augen. Ich machte mir Sorgen, denn so etwas kam in unserem Haus nur äußerst selten vor. Ich schlief in dieser Nacht sehr unruhig, geplagt von meiner Sehnsucht nach Charlie und den Sorgen wegen Mom und Dad. Mir war klar, dass sie nicht Amok laufen würden, aber eine solche Situation gab es bisher noch nie. Daher war es schwer einzuschätzen, was passieren würde.
Als ich am nächsten Morgen zum Frühstück in die Küche kam, wusste ich nicht, was mich erwarten würde. Ich wusste aber, dass sie etwas sagen würden, denn meine Eltern schoben Entscheidungen nicht gerne auf die lange Bank. Als sie mir sagten, dass sie Charlie für
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