Tim (German Edition)
haben.
Mom und Dad wussten, dass ich früher oder später mit der Sprache raus rücken würde, also sagten sie nichts und warteten einfach ab. Carl hatte nicht so viel Selbstbeherrschung und fragte immer wieder nach.
»Was ist mit dir?«
»Nichts«, antwortete ich nur.
»Du würdest nicht so komisch aus der Wäsche gucken, wenn nichts wäre.«
»Lass mich in Ruhe.«
»Ich sage es doch. Irgendetwas ist mit dir.«
Ich hätte ihn erwürgen können. Ich ließ mich schließlich breit schlagen und versprach, alles zu erzählen, sobald wir zuhause waren. Selbst Carl gab sich damit zufrieden und ging mir den Rest der Fahrt nicht weiter auf die Nerven.
Ich döste ein bisschen vor mich hin, dachte an Charlie und wie gern ich ihn zum Abschied noch einmal geküsst hätte. In seinen Augen las ich den gleichen Wunsch, aber ich glaube, das wäre ein bisschen zu viel für meine Eltern gewesen.
Wäre ich mir nicht schon längst sicher gewesen, dass ich Hals über Kopf verliebt war, wäre ich es nach dem Kuss im Wald gewesen. Charlie war so warm und weich. Ich wollte ihn für immer festhalten und nie mehr loslassen. In diesem Moment dachte ich darüber nach, ob nach Mexiko durchbrennen nicht doch eine sinnvolle Option gewesen wäre.
Ich hatte keine Ahnung, wie meine Eltern darauf reagieren würden, dass sich ihr Sohn in einen älteren Mann verliebt hatte. Aber das sollte ich bald herausfinden.
Kapitel 15: Charlie
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Ich war erst seit etwas mehr als einer Woche wieder zurück in Rockford. Ich hatte Stanley noch geholfen, das Camp für den Herbst und Winter vorzubereiten. Es war am 10. September, als ich eine kurze E-Mail von Norman, Tim‘s Vater, erhielt. Er wollte mit mir reden, konnte mich aber über die Verwaltung am College nicht telefonisch erreichen. Er bat mich, ihn schnellstmöglich anzurufen.
Einen Moment drehte sich mir der Magen um. Hatte Tim ihm zu viel erzählt und jetzt war er sauer? Wahrscheinlich, denn welche Eltern würden gerne zu hören bekommen, dass sich ihr 14-jähriger Sohn in seinen 6 Jahre älteren Betreuer verliebt hat?
Am Abend rief ich ihn mit einem unguten Gefühl im Bauch zurück. Schon nach dem zweiten Klingeln nahm Tim‘s Vater den Anruf entgegen. Er fragte mich sofort, ob ich eine Flatrate fürs Telefon hatte. Als ich das verneinte, notierte er sich meine Nummer und rief mich zurück. Ohne Smalltalk kam er sofort zum Grund seines Anrufes.
»Charlie, nachdem ich die E-Mail abgeschickt hatte, wurde mir bewusst, wie kurz angebunden sie war und dass du vielleicht denkst, dass Betty und ich sauer auf dich sind. Das ist allerdings nicht der Fall. Also entspann dich und lass uns kurz plaudern.«
»Ich war nervös«, gab ich zu. »Und wenn du denkst, dass ich den Eindruck gehabt haben könnte, bedeutet es, dass Tim euch erzählt hat, was im Camp passiert ist.«
»Nur seine Version, die übrigens eher nach Fantasy klingt. Eine Menge von dem, was er uns erzählt, klingt nach Fantasy, aber es entspricht immer der Wahrheit. Er ist in dich verliebt, Charlie.«
»Ich weiß.« Ich schluckte und machte mich innerlich bereit dafür, dass Norman mir trotzdem durch das Telefon den Kopf abreißen würde. Das passierte aber nicht.
»Wie weit ist es von Rockford nach Minneapolis? 300 oder 350 Meilen? Hättest du nicht Lust, uns am Wochenende zu besuchen? Fahr am Freitag los, wenn du am College fertig bist und bleib bis Sonntag Abend bei uns.«
»Und der Grund für den Ausflug wäre —?«
»Wir müssen reden. Und du musst mit Tim reden. Außerdem will er dich in den Arm nehmen und küssen. Ehrlich gesagt würde er viel lieber noch ganz andere Dinge mit dir anstellen.« Norman lachte.
»Bist du dir sicher, dass ihr das wirklich wollt?« Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Ein Wochenende zusammen mit Tim klang wirklich verlockend. Und seine Eltern fanden es zum Lachen komisch, dass mich ihr 14-jähriger Sohn am liebsten sofort ins Bett zerren würde? Ich dachte ich bin im falschen Film.
»Absolut«, antwortete Norman ernst.
»Okay, ich werde da sein«, sagte ich.
»Klasse, dann sehen wir uns am Freitag.« Wir verabschiedeten uns und legten auf. Ich legte mich aufs Bett und ließ die zwei Wochen noch einmal vor meinem geistigen Auge ablaufen. Es verging auch jetzt kein Tag, an dem ich nicht über Tim nachdachte. Ich versuchte immer noch herauszufinden, was er in mir sah, wie er sich ausgerechnet in mich verlieben konnte. Antworten fand ich jedoch keine.
Unser Abschied im Camp war alles
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