Tim (German Edition)
dadurch entstehen auch andere schlechte Gewohnheiten. Das bist einfach nicht du.
Beschäftige dich. Suche dir ein Projekt. Schreibe ein Buch oder so? Mir ist völlig egal, worüber. Such dir einfach irgendein Thema, arbeite daran und schreibe ein Buch.
Ich war mir sicher, dass er mich für verrückt halten würde, aber die Idee war genauso gut wie jede andere, die ihm einfallen könnte. Die Hauptsache war, dass er eine Aufgabe finden musste. Ich könnte es nicht ertragen, wenn ich mich langweilen würde und ich war mir sicher, dass es Charlie genauso ging. Warum also nicht?
Ich ergänzte den Brief mit ein paar nicht so wichtigen Neuigkeiten über meine Familie, Tina und meinen Sport. Ich konnte nicht abwarten, meinen Brief abzuschicken — Nummer 26 von 40.
Kapitel 57: Charlie
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Ein Buch schreiben? Wie kommt Tim nur auf so etwas? Bücher entstehen aus Ideen, nicht anders herum. Man beschließt nicht einfach, ein Buch zu schreiben und sucht sich dann ein Thema. Oder doch? Als ich seinen Brief erhielt, bemerkte ich sofort, dass Tim um einen oder zwei Tage geschummelt hatte. Sein Brief kam am 1. November bei mir an. Ich beschloss allerdings, ihm zu vergeben und es nicht zum Thema in meiner Antwort zu machen. Ich musste sogar schmunzeln.
Wie lange ich auch überlegte, mir fiel einfach nichts ein, worüber ich ein Buch schreiben sollte. Ich teilte Tim‘s Gedanken mit Priscy und fragte, ob ihr etwas einfallen würde. Tatsächlich hatte sie einen Vorschlag. Das Rote Kreuz existierte schon seit Ewigkeiten in Iowa, aber niemand hatte sich bisher die Mühe gemacht, die Geschichte aufzuschreiben.
»So etwas wird gebraucht. Also warum solltest du es nicht tun?«, fragte sie.
Ich überlegte eine Weile und beschloss, meinen Vorgesetzten zu fragen, was er davon hielt. Ich betonte dabei aber, dass es Priscy‘s Idee war, nicht meine.
»Charlie, du bist nur noch etwas über ein Jahr bei uns. Meinst du, dass du es in dieser kurzen Zeit schaffst, ein Buch über unsere Geschichte zu schreiben?«
»Ich weiß es nicht. Entweder hinterlasse ich das Material so gut es geht oder ich nehme es mit und stelle es dann fertig«, schlug ich vor.
Er versprach, das Thema mit seiner Chefin zu bereden. Zwei Tage später bekam ich das Okay. Ich sollte auch einen Teil meiner Arbeitszeit für das Projekt nutzen, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab. Ansonsten war es mein persönliches Projekt, an dem ich in meiner Freizeit arbeitete. Das Rote Kreuz bewilligte mir aber Fahrgeld, damit ich andere Niederlassungen in Iowa besuchen konnte, um dort zu recherchieren. Außerdem gab es mir die Gelegenheit, dort mit anderen Leuten zu sprechen. Priscy begleitete mich oft auf diesen Reisen.
Das Projekt wurde bald meine persönliche Obsession und ich war mir sicher, dass meine Arbeitszeiten daran fast genauso umfangreich waren wie Tim‘s Trainingsplan. Ich bedankte mich in meinem Brief für den Vorschlag und schrieb ihm alles über meine Pläne mit dem Projekt.
Um es vorweg zu nehmen: ich brauchte 9 Monate für die Fertigstellung des Buches. Das Rote Kreuz veröffentlichte es in Eigenregie und es wurde recht erfolgreich für ein Buch dieser Natur. Dass sich hauptsächlich Bibliotheken dafür interessierten, störte mich nicht. Es war mein Projekt und ich war froh, es geschafft zu haben. Es war das Erste in einer Reihe von Büchern, die das Rote Kreuz über die eigene Geschichte in den unterschiedlichen Staaten finanziell förderte.
Ende November erreichte mich ein Anruf von Beverly, Tom‘s Mutter. Tom und ich waren in Verbindung geblieben und wir schickten uns von Zeit zu Zeit E-Mails. Mit seinen Eltern hatte ich aber nicht mehr gesprochen, seitdem sie Tom im vorletzten Jahr aus dem Camp abgeholt hatten.
Beverly war aufgelöst und verzweifelt. Sie erzählte mir, dass Tom in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt war. Ein anderes Auto hatte an einer Kreuzung eine rote Ampel überfahren und Tom’s Wagen gerammt. Er prallte auf der Beifahrerseite auf, wo seine Freundin Julie saß. Sie war auf der Stelle tot. Tom kam mit leichten Verletzungen davon — zumindest äußerlich. Innerlich war er zerbrochen. Er besuchte einen Psychiater und auch der Vertrauenslehrer der Schule versuchte, ihm zu helfen. Aber niemand schaffte es, an Tom heranzukommen. Beverly und Sam waren mit ihrem Latein am Ende.
»Beverly, warum rufst du mich an?«, fragte ich, um aus ihr heraus zu bekommen, was ich tun könnte.
»Als wir gestern versuchten, mit Tom zu reden,
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