Tim (German Edition)
murmelte er einen Satz vor sich hin: ›ich wünschte Charlie wäre hier‹ . Wir mussten kurz überlegen, wer Charlie ist, aber wir kamen schnell darauf. Wir haben die Hoffnung, dass du ihm helfen kannst. Würdest du kommen? Wir bezahlen dir auch den Flug nach Detroit.« Ob ich kommen könnte? Ich käme nicht im Traum darauf, nein zu sagen. Ich hatte aber keinen blassen Schimmer, wie ausgerechnet ich ihm helfen könnte. Das sagte ich seiner Mutter auch. »Ich weiß, es ist weit her geholt. Aber wir müssen es versuchen. Uns fällt sonst nichts ein, was wir noch tun könnten. In den zwei Wochen seit dem Unfall hat es sich nicht gebessert. Seine Noten gehen in den Keller, er redet so gut wie nicht und isst kaum etwas. Ein Versuch ist es wert. Das finden auch sein Psychiater und sein Lehrer. Bitte, Charlie.«
»Ich nehme den ersten Flug morgen früh, den ich bekommen kann«, versprach ich ihr und legte auf.
Ich rief Randy an und erklärte ihm die Situation. Er stimmte der Reise ohne zu zögern zu. Ich wäre auch ohne seine Erlaubnis geflogen, aber ich dachte, das musste ich ihm nicht unbedingt auf die Nase binden. Dann reservierte ich meinen Flug.
Ich landete um 14:00 Uhr in Detroit. Sam holte mich vom Flughafen ab und wir begrüßten uns freundlich. Er sah müde und erschöpft aus.
»Tom weiß, dass du kommst. Wir dachten aber, es wäre besser, wenn er dich zuhause trifft, anstatt auf einem Flughafen«, sagte er entschuldigend. »Dr. Johnson, sein Psychiater, sagte, wir sollten dich zu uns nach Hause bringen und euch dann zusammen allein lassen. Ist das für dich okay?«
»Natürlich«, stimmte ich zu.
Die Fahrt dauerte nicht lange und schon standen wir vor ihrem Haus. Sam öffnete die Tür und ich sah Tom. Er saß neben seiner Mutter auf der Couch. Als Sam die Tür hinter uns schloss, sah er auf und unsere Blicke trafen sich. Er sah traurig und müde aus. Seine Augen waren rot, als hätte er gerade erst geweint. Offensichtlich hatte er auch ein paar Kilo abgenommen. Wir schauten uns einen Moment lang an. Dann stand er auf und ging auf mich zu. Er umarmte mich so fest, als ob sein Leben davon abhing. Ich konnte nichts tun, außer die Umarmung zu erwidern. Wir standen eine Weile nur so da, bewegungslos, sein Kopf an meine Brust gedrückt. Dann brachen alle Dämme und er begann, laut und heftig zu weinen. Sein ganzer Körper zitterte in meinen Armen. Ich sah zu seinen Eltern, die uns traurig beobachteten. Beverly gab mir zu verstehen, dass wir sie in der Küche finden würden, dann verließen beide den Raum. Ich weiß nicht, wie lange wir so da standen, aber es muss etwa eine halbe Stunde gewesen sein. Niemand sagte ein Wort. Er hielt mich einfach nur fest und ich streichelte ihm über den Kopf. Als sich Tom ein wenig beruhigt hatte, löste er seine Umarmung und wir setzten uns auf die Couch.
»Danke, dass du gekommen bist«, sagte er, wischte sich die Tränen aus den Augen und putzte sich die Nase.
»Ich wäre aus China her geflogen, wenn du mich brauchst.«
»Ich weiß. Danke.«
»Möchtest du mir die Geschichte erzählen?«
»Haben es dir Mom und Dad nicht erzählt?«
»Doch, aber ich dachte, du möchtest vielleicht selbst darüber reden.«
Er dachte einen Moment darüber nach, dann nickte er. Er ging etwas mehr ins Detail als Beverly, im Grunde erzählte er mir aber nichts neues.
»Hast du mit Julie‘s Eltern gesprochen? Warst du bei ihrer Beerdigung?«
»Ja, ich war bei der Beerdigung und habe auch kurz mit ihren Eltern gesprochen. Ich habe ihnen gesagt, dass es mir leid tut. Sie antworteten, dass es nicht meine Schuld war. Aber es war meine Schuld. Ich bin gefahren. Ich hätte das Auto sehen müssen.« Damit brach er wieder in Tränen aus. Ich nahm ihn wieder in den Arm und hielt ihn einfach nur fest. Seine Mutter schaute kurz rein, aber ich gab ihr zu verstehen, dass sie uns allein lassen sollte. Es dauerte eine lange Zeit, bis er sich wieder beruhigt hatte.
»Tom, ich habe Hunger. Wie sieht es bei dir aus?«, fragte ich, nachdem er sich erneut die Tränen aus dem Gesicht gewischt hatte.
»Ja, gerne. Gehst du mit mir was essen?«
»Meinst du, dass du dazu bereit bist?«, fragte ich nach.
»Ja, ich denke schon.«
»Und deine Eltern?«
»Nur du und ich, allein. Bitte.«
Ich ging zu seinen Eltern und fragte sie, ob sie etwas dagegen hatten, dass ich mit Tom alleine Essen gehen würde. Beverly und Sam willigten ein und wir fuhren gemeinsam zu seinem Lieblingsrestaurant.
Wir aßen beide Burger
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