Tim (German Edition)
der Schwimmhalle verbrachte, musste jemand anwesend sein. Und dieser Jemand war Carl. Ich erzählte Charlie in meinem Brief von meinen Entscheidungen und ich erklärte ihm, wie sich mein Trainingsplan ändern würde. Damit ging Brief Nummer 25 von 40 auf die Reise.
Kapitel 55: Charlie
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Phil setzte seine College-Karriere in Manhattan, Kansas, fort und kam im Oktober für ein Wochenende nach Des Moines, um mich zu besuchen. Ich stellte ihm Priscy vor und merkte, dass Phil eine Weile brauchte, um sich daran zu gewöhnen, dass sein schwuler Ex-Partner aus dem College nun scheinbar eine lesbische Freundin hatte. Ganz nebenbei war dieser auch noch in einen Teenager in Minneapolis verliebt, der obendrein auch noch eine Freundin hatte. Priscy ließ allerdings ihren Charme spielen und es dauerte nicht lange, bis sie sich gut verstanden.
Phil und ich hatten zwei wundervolle Tage mit langen Gesprächen, die ich in meinem nächsten Brief mit Tim teilte. Phil war einsam und fast schon ein bisschen verzweifelt. Ich versuchte ihm zu versichern, dass er seinen Tim finden würde, aber noch ein bisschen Geduld haben musste.
Es würde eine lange Zeit dauern, bevor ich ihn wieder sah. Kurz nachdem er zurückgefahren war, erhielt ich eine E-Mail von ihm. Er bat mich um Verständnis, aber er könnte mich vorerst nicht mehr besuchen kommen. Es fiel ihm zu schwer und er hatte noch zu viele Gefühle für mich, die ihn davon abhielten, sein Leben einfach weiter zu leben. Er versprach jedoch, in Verbindung zu bleiben.
Ich sprach mit Priscy darüber und sie stimmte Phil zu. Sie konnte nachvollziehen, warum er so empfand. Ich teilte mit ihr auch die Gedanken, die mir seit Monaten durch den Kopf gingen. Ich kannte das perfekte Gegenstück, sozusagen Phil‘s Tim: Franklin. Ich konnte ihnen aber nicht das gleiche antun, womit Tim und ich seit Jahren lebten. Phil und Franklin würden erst von einander erfahren, wenn Franklin 18 war.
In Tim‘s Brief las ich von seiner Entscheidung, den Turnverein zu wechseln. Er war sich sicher, dass es die richtige Entscheidung war und ich glaubte, seine Erleichterung aus seinen Worten herauslesen zu können. Seine beiden neuen Trainer waren freundlich, hilfsbereit, interessiert an ihm und freizügig mit Umarmungen. Bei ihnen fand Tim genau die Atmosphäre, die er brauchte. Außerdem zeigten sie sogar Interesse an seiner Arbeit mit seinem Lieblingselement, dem Schwebebalken. Eine Demonstration während des Trainings lehnte Tim jedoch ab. Zum einen war er in seinen Augen nicht genug in Übung und zum anderen fand er es nicht gut, sich gleich mit einer Vorführung in den Vordergrund zu spielen.
Tina begleitete Tim oft zum Training, zumindest nach der Schule. In seinem alten Verein war sie nie willkommen, in St. Paul störte es niemanden, dass sie anwesend war und zusah, Hausaufgaben erledigte oder sich mit jedem unterhielt, der Lust auf ein Gespräch hatte. Wie sie mir in einem Brief verriet, machte sie das sehr glücklich. Sie schrieb:
Wenn er durch die Luft fliegt, werde ich ganz nervös. Ich habe manchmal Angst, dass er sich selbst verletzten könnte, so wild sieht das oft aus. Ich kann es kaum erwarten, bis du es mit eigenen Augen sehen kannst. Er ist unglaublich sexy, wenn er trainiert. Vor allem an den Ringen, wo er sich nicht so schnell bewegt und man besser sehen kann, was er da macht.
Mein 25. Brief enthielt die Details zu Phil‘s Besuch bei mir, meine Gedanken zu Franklin und ein paar Sätze zu meiner Beziehung mit Priscy. Zudem schrieb ich ihm, dass ich Tina darum beneide, weil sie ihm beim Training zuschauen konnte. Ich beendete meinen Brief damit, dass ich mich in Des Moines langweilte. Ich hatte einen 40-Stunden-Job und sonst nichts zu tun.
Kapitel 56: Tim
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Ich mochte Charlie‘s Idee. Phil kannte ich zwar nur aus seinen Briefen, aber selbst dadurch hatte ich den Eindruck, dass er hervorragend zu Franklin passen würde. Franklin war attraktiv, intelligent, liebevoll, einfühlsam und rücksichtsvoll, einfach nur ein wunderbarer Mensch. Und ich wusste, dass er ähnlich einsam war wie Phil. Diese beiden Riesen zusammen zu bringen war eine hervorragende Idee.
Charlie‘s Geständnis, dass er sich langweilte, störte und besorgte mich. Ich dachte lange darüber nach, was er dagegen tun könnte. Es dauerte eine Weile, bis ich auf eine Idee kam. Ich schrieb ihm:
Lieber Charlie,
dass du dich langweilst kann ich nicht akzeptieren. Langeweile führt dazu, dass man zu viel nachdenkt. Und
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