Tim und Charlie (Tim: Teil 2) (German Edition)
dieser Zeit um andere Angelegenheiten. Nach der Schule trafen wir uns entweder an der Schwimmhalle oder wir fuhren nach St. Paul zum Turnen. Tina begleitete uns manchmal, worüber ich mich wirklich freute.
An einem Nachmittag musste ich jedoch auf mein Training verzichten, denn Charlie und ich statteten meinem Schulleiter, Dr. Olafsen, einen Besuch ab. Ich wollte mich bei ihm noch einmal dafür bedanken, dass er bei meiner Geburtstagsparty war. Außerdem wollte ihn daran erinnern, dass ich in der kommenden Woche mit Charlie in Indiana sein würde.
Er hatte es nicht vergessen und bestätigte noch einmal, dass es kein Problem war. Er wünschte uns sogar viel Glück bei Charlie‘s Eltern. Dann fragte er nach unseren Plänen für das Coming Out . Wir wussten, dass wir Dr. Olafsen in unsere Pläne einweihen mussten.
»In einem Monat soll das etwa passieren«, sagte ich ihm. »Was denken Sie, wie die Schule darauf reagiert?«
Dr. Olafsen dachte einen Moment darüber nach. Erst dann antwortete er.
»Ich würde dir gerne versprechen, dass es ein Kinderspiel wird und dass ihr keine Probleme zu erwarten habt. Aber das kann ich nicht. Wir hatten diese Situation ein einziges Mal bisher. Ich glaube, Carl hat dir erzählt, dass es eine eher unschöne Erfahrung für unsere Schule war.«
Er seufzte hörbar und sah uns an.
»Der Schüler wurde verspottet und gemobbt. Die Lehrer haben ihr Bestes getan, aber sie konnten ihn nicht dauernd im Auge behalten. Das hätte die Situation vermutlich noch verschlimmert. Der Junge hat die Schule gewechselt, als er es nicht mehr ausgehalten hat. Wir hoffen, daraus gelernt zu haben, aber die Schüler von heute waren damals größtenteils noch nicht hier. Sie konnten aus den Vorfällen nichts lernen. Du hast allerdings den enormen Vorteil, dass du sehr beliebt bist.«
»Was hat das damit zu tun?«, fragte Charlie.
»Jeder hier an der Schule kennt Tim«, sagte er zu Charlie, schaute anschließend aber mich wieder an. »Ich denke, dass die meisten deiner Mitschüler lieber als Unterstützer angesehen werden wollen und nicht als deine Gegner. Ich bin mir auch sicher, dass sich dein Team hinter dich stellen wird. Und die Kids haben ziemlich großen Einfluss auf die anderen. Ich hoffe, dass es keine Probleme geben wird, aber wir müssen das sehr vorsichtig und gründlich planen.«
Das wir entging weder Charlie noch mir. Wir schauten uns einen Moment an und ich wusste, dass er das gleiche dachte wie ich. Wir hatten mit meinem Schulleiter einen wichtigen Verbündeten.
Wir bedankten uns bei Dr. Olafsen und versprachen, ihn über unsere Pläne auf dem Laufenden zu halten. Wir waren nach dem Gespräch in einer guten Stimmung, die wir am Abend im Bett ausgiebig genossen.
Den Rest der Woche behielten wir unseren neuen Rhythmus bei. Für mich hieß es Training, Schule, Training, Abendessen, Lernen, Bett. Charlie begann sich langsam daran zu gewöhnen. Vor allem das frühe Aufstehen machte ihm aber nach wie vor zu schaffen.
Dann war es aber an der Zeit, ein paar Sachen zu packen und nach Indiana aufzubrechen, um Charlie‘s Eltern zu besuchen. Wir teilten die Fahrt auf zwei Tage auf, damit wir nicht zu lange im Auto sitzen mussten. Wir checkten nach der Hälfte der Strecke in einem kleinen Hotel ein und verbrachten den Abend damit, durch die Straßen zu spazieren und uns zu unterhalten. Keiner von uns kam auch nur einmal auf die Idee, den Fernseher einzuschalten.
Charlie war dennoch angespannt und ich wusste nicht so recht, wie ich ihm helfen sollte. Seine Unruhe steckte mich sogar an und ich wurde ein bisschen nervös. Wir sprachen darüber, wie Charlie‘s Eltern reagieren könnten, aber uns blieb nichts anderes übrig, als einfach abzuwarten und das Beste zu hoffen.
Charlie und ich beschlossen, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Wir wollten seinen Eltern erst einmal die Möglichkeit geben, mich etwas besser kennenzulernen, bevor wir ihnen sagten, warum wir wirklich nach Indianapolis gekommen waren. Das bedeutete, dass ich erst einmal ohne Charlie schlafen musste. Der Gedanke daran gefiel mir gar nicht, aber es blieb uns nichts anderes übrig.
7 Charlie
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Ich hatte ein seltsames Gefühl im Bauch, als wir vor dem Haus parkten, in dem ich aufgewachsen war.
»Bereit?«, fragte ich Tim.
Als Antwort bekam ich ein Nicken und ein süßes Lächeln.
Der Weg bis zur Haustür erschien mir ungewöhnlich lang. Ich begann, über Dinge nachzudenken, die mich noch nie beschäftigt hatten.
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