Tim und Charlie (Tim: Teil 2) (German Edition)
wiedersehen würden. Sie hätten mir verbieten können, Briefe zu schreiben. Vielleicht hätte ich gehorcht, vielleicht aber auch nicht. Ich denke, es ist eher unwahrscheinlich, dass ich mich daran gehalten hätte. Sie hätten Charlie‘s Briefe abfangen können, aber das hätte mich noch lange nicht von einem Telefon ferngehalten.«
»Norman und Betsy waren vor 2 Jahren bei mir in Rockford. Da haben sie mir gebeichtet, dass ihre Einladung nach Minneapolis ursprünglich ein Versuch war, unsere Beziehung im Keim zu ersticken«, fügte ich hinzu. »Sie waren der Meinung, dass die Liebe mit der Entfernung wachsen würde, wie sie es ausdrückten. Sie wollten nicht, dass ich für Tim eine Art ›verbotene Frucht‹ bin, wenn man das Klischee bedienen möchte. Sie hofften, dass sie mit einer offenen Einstellung dafür sorgen könnten, dass unsere Liebe einen natürlichen Tod stirbt.«
»Stattdessen haben sie sich fast genauso sehr in Charlie verliebt wie ich«, fügte Tim mit einem breiten Grinsen hinzu. »Und fast genauso schnell.«
»Verstehe bitte, dass die nächste Frage nicht gemein klingen soll«, sagte Mom zu mir, sah dann aber Tim an. »Aber warum Charles?«
»Das ist ganz einfach. Er ist wirklich etwas ganz besonderes«, antwortete Tim. »Aber lasst es mich erst einmal statistisch erklären. Die Hälfte der Bevölkerung ist weiblich und ich bin schwul. Je nach Schätzung sind nur 10 oder 11 % der Bevölkerung schwul. Charlie gehört aufgrund seines IQ zu den Top 2 %. Zudem ist er potentiell ein olympischer Athlet, was ihn in die Top 1 % der Bevölkerung bringt — wenn nicht sogar weniger als ein Prozent. Außerdem ist er der liebevollste Mensch auf dieser Welt. Wenn ihr nur ein Mal gesehen hättet, wie er mit den Campern in Camp White Elk umgegangen ist, wüsstet ihr, dass er etwas besonderes ist. Ich konnte einfach nicht anders. Ich habe nicht locker gelassen und ihm die Frage gestellt, ob er sich in mich verlieben könnte.«
»Wie konnte ich da nicht mit ja antworten?«, ergänzte ich. »Tim hat in diesen zwei Wochen alles versucht, um mich dazu zu bringen, mich ihn ihn zu verlieben. Ich war aber bereits in ihn verliebt und versuchte, dagegen anzukämpfen. Am Abend vor seiner Abreise kam er zu mir und sagte: ›Ich habe alles gesagt, was ich sagen konnte. Jetzt bist du an der Reihe‹ . Wir hatten beide eine sehr unruhige Nacht. Ich habe mir den Kopf zerbrochen, was ich machen soll. Ich konnte keine Beziehung mit einem 14-jährigen Jungen führen. Aber ich konnte Tim auch nicht einfach gehen lassen.«
»Am nächsten Morgen hat mir Charlie dann vorgeschlagen, dass wir uns Briefe schreiben sollten«, nahm Tim den Faden wieder auf. »Und er hat mir versprochen, dass er zu meinem 18. Geburtstag kommen würde, wenn wir dann noch die selben Gefühle füreinander hätten. Erst dann wollten wir unsere gemeinsame Zukunft planen. Ich habe nie eine Sekunde wirklich daran gezweifelt, dass wir es schaffen würden. Ich glaube, Charlie auch nicht. Es war der schönste Geburtstag in meinem Leben und ich liebe Charlie von Tag zu Tag mehr.«
»Und ich liebe Tim genauso«, sagte ich. »Ich will den Rest meines Lebens mit ihm verbringen.«
»Charles, warum hast du uns nicht eher gesagt, dass du schwul bist?«
»Ich hatte Angst vor eurer Reaktion«, wiederholte ich noch einmal. »Und wie gesagt war ich mir lange selbst nicht sicher, was ich bin. Der wichtigste Grund ist aber, dass ich es euch nicht als abstrakte Theorie erzählen wollte. Tim ist der lebende Beweis. Und er hat sich ausgerechnet in mich verliebt. Eurer Charlie hat den Fang des Jahrhunderts gemacht.«
»Du lässt uns hier nicht wirklich eine Wahl«, stellte Dad fest. »Es ist entweder friss oder lass es bleiben, oder?«
»Nun, natürlich. Nur so funktioniert Liebe nun einmal. Du hast eine geschiedene Frau mit 2 Kindern geheiratet. Hättest du deiner Mutter ein Veto-Recht eingeräumt? Hatte sie eine Wahl?«, fragte ich ihn.
»Natürlich nicht«, gab er zu. »Ich habe es aber wenigstens als Frage formuliert.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob es ehrlich wäre, um eure Erlaubnis für meine Liebe zu Tim zu bitten. Wir werden zusammen sein, unabhängig von dem, was ihr sagt. Vor vier Jahren wäre das vielleicht noch anders gewesen. Aber ich habe von Tim gelernt, dass es besser ist, immer ehrlich zu sein. Es ist das Leitprinzip in ihrer Familie. Ich lerne noch. Ich hoffe natürlich, dass ihr unsere Beziehung akzeptieren könnt. Aber eure Meinung wird mich nicht
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