Time Travel Inc. - Fast Forward (Die Zeitreise Chroniken) (German Edition)
hätte solch ein bitteres Ende nicht erwartet oder gar verdient.
Fassungslos ergab ich mich dem Schmerz und musste mit Erschrecken dabei zusehen, wie sich meine Jeans unterhalb meines rechten Knies langsam mit Blut tränkte. Die Haut musste von ganz alleine aufgerissen sein. Ich bildete mir ein, das, was nun folgte, trotz der enormen Lautstärke der Anlage hören zu können. Mein Schienbeinknochen brach, ohne dass ihn etwas berührt hatte, und durchstieß den dünnen Stoff der Hose. Entsetzt fragte ich mich, warum ich noch immer bei Bewusstsein war. Wieder flackerte Johns Bild vor mir auf und ich hätte alles gegeben, um sein Gesicht berühren zu können. Ein Ruck durchfuhr mich und beinahe erfreut stellte ich fest, dass ich nun unterhalb meiner Taille hier nichts mehr spüren konnte. Vermutlich hatte die Prozedur mein Rückgrat beschädigt. Mühsam brachte ich meinen Kopf wieder in eine aufrechte Position und blickte hinauf zu Viktor. Zu meinem Erschrecken stieß ihn mein Anblick keineswegs ab. Schlimmer. Er genoss es regelrecht. Das durfte auf keinen Fall meine letzte Wahrnehmung sein. Schnell schloss ich die Augen und richtete meine gesamte Konzentration nach innen. Ich dachte an André, an Jess, an meine Freundschaft zu Tommy, bevor er vom Weg abgekommen war. Ich dachte an die gemeinsame Zeit, die John und ich im Haus seiner Schwester verbracht hatten. An die langen Picknicks und die wunderbaren Abende am Kamin. Dann sah ich meine Mutter, wie sie am Herd mit vier verschiedenen Töpfen hantierte und es in der ganzen Wohnung nach meinem Lieblingsessen roch. Ich sah meinen Vater, der mich zu sich an den Computer rief, damit ich mir irgendetwas Lustiges im Internet ansehen konnte. Und schließlich waren da meine Großeltern. So lange war es her, dass ich meinen Großvater verloren hatte. Nun konnte ich ihn vor mir sehen, als wäre er nie fort gewesen. Er hielt meine Großmutter im Arm und sie lächelten mich an. Ganz so, als würden sie mir die Angst vor dem Tod nehmen wollen.
Um mich herum schwoll das bekannte Geräusch der Anlage immer wieder an und ab. Natürlich wusste ich es nicht genau, vermutete aber, dass Viktor die Energie senkte und wieder anhob, um das Erlebnis für mich noch qualvoller zu gestalten. Seine Grausamkeit kannte keine Grenzen.
Dann endlich war es so weit. Langsam verschwamm die Welt um mich herum und ich hatte das Gefühl plötzlich immer leichter zu werden. Ein letztes Mal riss ich mich zusammen und öffnete meine Augen. Vor mir lag ein weites Tal. Es sah beinahe aus wie das Auenland. Sanfte Hügel und vereinzelte Baumgrüppchen bildeten eine fast künstlich wirkende Idylle. In der Ferne drang Rauch aus dem Schornstein einer kleinen Kate. 18. Jahrhundert, dachte ich unwillkürlich. Irland, vielleicht Schottland. Dann setzte ein leises Fiepen in meinem Kopf ein. Ein wenig wie ein Tinnitus. Ein letzter Gedanke, ein Wort: John.
Viktor verschloss die Tür der Kommandozentrale hinter sich und machte sich daran, die Steuereinheit mit den notwendigen Daten zu füttern. Zwischendurch warf er immer wieder einen Blick nach unten, um mit Genugtuung zu beobachten, wie Leana sich wand. Der Tag der Rache war gekommen. Er drosselte das Energie-Level auf 55 %, hielt dann jedoch kurz inne und beschloss noch niedriger zu starten. Er verringerte die Zahl auf 40. Die Mühe, die eingegebenen Daten noch einmal zu überprüfen, machte er sich gar nicht erst. Es war ohnehin nicht wichtig, welche Zeit-Koordinaten er gewählt hatte. Leana würde nirgendwohin reisen. Er startete das System und blieb mit verschränkten Armen am Kontrollpult stehen. Keine Sekunde würde er den Blick abwenden. Jeder Moment der bevorstehenden Prozedur sollte ihm Befriedigung verschaffen. Von hier oben konnte er die Panik in ihren Augen gut erkennen. Sie wusste nur zu genau, dass ihre Zeit abgelaufen war.
Plötzlich kam ihm eine Idee. Er aktivierte die Sprechanlage, um ihr noch etwas mehr Angst einzujagen. Das Resultat war mehr als zufriedenstellend. In wilden Bewegungen versuchte Leana, sich von ihren Fesseln zu befreien, und warf dabei beinahe den Bürostuhl um. Er trat etwas näher an die dicke Scheibe und wartete auf erste Anzeichen der, durch die niedrige Energie verursachten, Verletzungen. Er konnte das Grollen der Maschine bis hier oben wahrnehmen und stellte sich vor, wie es für sie da unten jetzt sein müsste. Mit Unbehagen dachte er an seine eigene Zeitreise, welche bei nur 83 % der nötigen Energie vollzogen wurde. Auch
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