Timeless: Roman (German Edition)
gegen die Scheibe und gab sich ihren Tagträumen von Philip hin.
Sie spürte, wie eine Hand sie behutsam am Arm zupfte. Philip , dachte Michele glücklich und streckte ihm die Arme entgegen. Doch als sie die Augen öffnete und Ben sah, wäre sie am liebsten im Boden versunken. Schnell tat sie so, als recke und strecke sie sich. Ihr Gesicht glühte.
»Bin ich eingeschlafen?«, erkundigte sie sich noch völlig benommen.
»Ja«, erwiderte Ben. »Wir sind jetzt da, in Rhode Island.«
»Im Ernst? Hab ich die ganze Zeit geschlafen?«
»Du hast es vermutlich gebraucht«, sagte Ben mit einem Kichern.
»Tut mir leid, dass ich keine unterhaltsamere Gesellschaft für dich war«, erwiderte Michele verlegen.
»Geht in Ordnung. Du hast … süß ausgesehen«, sagte Ben und blickte ein wenig verlegen drein.
»Oh, danke.« Mit hochrotem Gesicht sah Michele zu Boden. Sie hatte das Gefühl, sie müsse etwas tun, damit sich Ben keine falschen Hoffnungen machte. Aber was?
»Kingston, Rhode Island!«, rief der Schaffner.
»Da müssen wir raus«, rief Mr. Lewis und erhob sich.
Michele, Ben und die anderen Schüler standen auf, griffen nach ihrem Gepäck und machten sich bereit auszusteigen. Mr. Lewis hatte ihnen erklärt, dass es keine Direktverbindung nach Newport gebe. Am Bahnhof würde ein Shuttlebus auf sie warten und sie dann zur Insel bringen.
Am Bahnhof setzte sich Michele diskret von Ben ab, schloss sich Caissie und Aaron an und gesellte sich im Bus zu ihnen. Als sie bei Sonnenuntergang in Newport ankamen, bewunderte sie das üppige Grün in Rhode Island, wie sie es weder in New York noch zu Hause in L . A . gesehen hatte. Sie fuhren durch Baumalleen, die auf beiden Seiten von saftig grünem Rasen gesäumt waren. Als schließlich die Küste mit einem atemberaubenden Blick aufs Meer vor ihnen auftauchte, kniff Michele in Caissies Arm, so fasziniert war sie. Steile Klippen bildeten die Kulisse für die dramatische Weite glänzend blauen Wassers, in dem viele Boote und Leuchttürme zu sehen waren.
Die Innenstadt von Newport war wie ein Überrest aus vergangener Zeit. Fast jedes Gebäude war im 18. Jahrhundert errichtet worden. Mr. Lewis machte seine Klasse auf die Sehenswürdigkeiten aufmerksam: »Da rechts befindet sich die Trinity Church, in der bereits George Washington und Königin Elisabeth II. gebetet haben … Und hier drüben ist die erste Bibliothek der USA , die Redwood Library, aus dem Jahr 1747. Links seht ihr das White Horse Tavern, das älteste Wirtshaus des Landes, das bis auf das 17. Jahrhundert zurückgeht.«
Dann bogen sie in die Bellevue Avenue ein. Hier erwartete sie etwas völlig Neues. An die Stelle der Kolonialhäuser waren jetzt palastähnliche Villen und Herrenhäuser getreten, vergleichbar mit dem Windsor Mansion und den übrigen Herrenhäusern, die Michele in der Fifth Avenue gesehen hatte.
»Hier sind die berühmten Newport-Cottages, die wir morgen und am Sonntag besichtigen werden«, verkündete Mr. Lewis. »Im späten 19. Jahrhundert wurde Newport zum beliebtesten Ferienort für die feine Gesellschaft, und alle Familien von Rang besaßen hier Cottages, um Urlaub zu machen und sich zu vergnügen.«
»Wieso … Cottages ?«, stieß Aaron fassungslos hervor.
»Ja, so wurden von jeher die Sommerresidenzen in New port genannt«, erklärte Mr. Lewis lächelnd. »Sogar das Haus der Vanderbilts, The Breakers, wird Cottage genannt, dabei besitzt es vier Stockwerke und siebzig Zimmer. Die meisten Familien, wie z. B. die Astors und Vanderbilts, die hier ihre Cottages hatten, gibt es nicht mehr. Die Preservation Society of Newport County hat ihre Häuser unter Denkmalschutz gestellt und in Museen umgewandelt. Deshalb können Schulen wie unsere sich ein Bild über das Leben in der damaligen Zeit machen.«
Caissie und Michele grinsten sich an. Mr. Lewis hatte ja keine Ahnung, dass Michele keinen Museumsbesuch brauchte, um das Leben der Vergangenheit kennenzulernen.
»Schauen wir uns auch das Cottage der Walkers an?«, fragte Michele.
»Ganz bestimmt«, erwiderte Mr. Lewis. »Morgen früh.«
Michele unterdrückte ein Lächeln, um keine Aufmerksamkeit zu erregen – doch sie platzte fast vor Neugier. Vielleicht würde sie an diesem Wochenende Philip nicht zu Gesicht bekommen, aber wenn sie durch seine Sommerresidenz schlenderte, würde sie sich ihm wenigstens nahe fühlen können.
Bald erreichten sie das Hotel Viking, ein imposantes kleines Luxushotel aus Ziegelstein, das Mr. Lewis zufolge auf
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