Timeless: Roman (German Edition)
einem historischen Hügel erbaut worden war. An der Eingangstür des Hotels stand: Ein historisches Hotel in Amerika. Gebaut 1926.
Die Klasse betrat mit Mr. Lewis die Hotellobby und wartete, während er eincheckte und die Zimmerschlüssel entgegennahm. Als er den Schülern die Zimmer zuwies, atmete Michele erleichtert auf, weil sie das Zimmer mit Caissie teilte und nicht mit einer von den Vierhundert-Snobs.
Nachdem alle das Gepäck auf die Zimmer gebracht hatten, versammelten sie sich im Hotelrestaurant One Bellevue zum Abendessen. Als Michele, Caissie und Aaron an einem Dreiertisch Platz nahmen, bemerkten sie, dass Olivia Livingston Michele mit einem enttäuschten Blick bedachte.
»Da scheint es wohl jemand zu missbilligen, dass eine Windsor ihre Freunde nicht in der gehobenen Gesellschaft sucht«, bemerkte Caissie trocken.
»Dieses Mädchen hat echt Probleme«, sagte Michele und rollte die Augen.
»Aaron, mit wem bist du eigentlich im Zimmer?«
»Ich bin mit einem der Möchtegern-Jamaikaner zusammen«, erwiderte er. »Bis jetzt durfte ich schon ausgiebig Dancehall Reggae hören, und wahrscheinlich kann ich mich noch auf einiges gefasst machen.«
»Versprichst du mir, dass du dir dieses Wochenende keinen Rasta-Akzent zulegst?«, sagte Caissie.
»Ich denke, das geht in Ordnung.« Aaron kniff Caissie spielerisch in die Nase. Sie wurde rot und verschanzte sich schnell hinter der Speisekarte.
Michele verkniff sich ein Kichern. Die beiden waren ja sowas von ineinander verknallt.
13
A m nächsten Morgen holte ein Touristenbus die Klasse ab, um sie zu ihrem ersten Besichtigungspunkt zu fahren – dem Walker Mansion in Newport. Als sich der Bus ihrem Ziel näherte, fühlte sich Michele ganz benommen vor Nervosität. Schließlich hielten sie vor einem Eingangstor, über dem eine Flagge wehte. Auf einer großen Tafel war zu lesen: PALAIS DE LA MER, ERBAUT FÜR DIE FAMILIE WALKER, 1901. TÄGLICHE BESICHTIGUNG 9 BIS 18 UHR. Hinter dem Eingangstor erhob sich ein prachtvolles weißes Steingebäude.
Caissie drückte Micheles Hand, als der Bus in die Zufahrt einbog.
Mr. Lewis führte die Klasse durch die gewölbten Glas türen ins Haus, wo sie in der Eingangsdiele auf die nächste Führung warten mussten, die in fünf Minuten beginnen sollte. Michele nahm das Geplauder ihrer Klassenkameraden nicht wahr, sondern sah sich mit großem Interesse um. Sie stellte sich vor, wie Philip an einem Sommertag durch die Eingangstür hereinspazierte oder die Wendeltreppe zu seinem Zimmer hinaufstieg.
Dann kam die Führerin, eine Einheimische aus Newport. Sie hieß Judy und war Mitte sechzig. Während sie der Gruppe die Gesellschaftsräume im Erdgeschoss zeigte, erklärte sie die Geschichte der Familie Walker.
»Dieses Haus gehörte ursprünglich Mr. Warren H. Walker aus New York. Er wohnte hier mit seiner Frau Paulette und ihrem gemeinsamen Sohn Philip«, begann sie.
Bei der Erwähnung von Philips Namen blieb Michele abrupt stehen und glaubte, ihr müsste das Herz zerspringen. Zum ersten Mal bestätigte ein Mensch ihres Jahrhunderts Philips Existenz, was sie mit einem Hochgefühl erfüllte. Selbst wenn sie seine Jacke über ihren Schultern spürte und mit ihrem inneren Ohr seine Musik hörte, fiel es ihr im Alltagstrubel von 2010 manchmal schwer zu glauben, dass es ihn wirklich gab. Und hier erzählte ihnen eine Reiseführerin die Geschichte von dem jungen Mann, den sie liebte, und von seiner Familie. Michele lächelte in sich hinein und schloss zu Caissie auf, als Judy und die Gruppe den nächsten Raum betraten.
»Irgendwann im späten 18. Jahrhundert hatte Warren Walkers Großvater als Grundstücks- und Immobilienhändler den Grund stein für das Familienvermögen gelegt. Nach dem Tod seines Vaters erbte Warren das Geschäft, das unter seiner Führung noch erfolgreicher wurde. Paulette, die aus französischem Adel stammte, war eine der gefragtesten Gastgeberinnen jener Zeit, da die feine Gesellschaft New Yorks der Tradition, dem Stil und den Umgangsformen der Franzosen huldigte. Ihr Sohn Philip erregte aufgrund seiner Abstammung und noch mehr wegen seines guten Aussehens große Aufmerksamkeit.«
Caissie warf Michele, die unwillkürlich voller Stolz grinste, einen verschwörerischen Blick zu.
Dann führte Judy sie in den zweiten Stock, um die Schlafgemächer der Familie und die Gästezimmer zu besichtigen. Olivia und ihre Freundinnen kamen aus dem Staunen nicht heraus, als sie das Schlafgemach von Philips Eltern bewunderten,
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