Timeless: Roman (German Edition)
immer an mich geglaubt, und jetzt wird es Zeit, dass ich genauso an mich glaube. Die Reaktion der Öffentlichkeit auf »Bring die Farben zurück« hat in mir den Wunsch erweckt, nach New York zurückzukehren und zu versuchen, mich als Komponist zu bewähren. Ich danke dir, dass du mir die Lebensfreude wiedergegeben hast, die ich gespürt habe, als wir zusammen waren. Michele, ich verspreche dir, dich wiederzufinden, egal, wie. Und dieses Päckchen enthält ein Symbol dieses Versprechens: meinen Familienring. Ich habe auch die Adresse des Hotels, in dem ich abgestiegen bin, beigefügt: das Waldorf-Astoria, und ich hoffe, du bist in der Lage, zu mir zu kommen.
Ich liebe dich.
Philip
Als Michele am Ende von Philips Brief angelangt war, rollten ihr die Tränen über die Wangen. Jeder Satz berührte sie. Sie nahm kaum wahr, dass Lily zu ihr eilte und versuchte, sie zu trösten; in Gedanken war sie meilenweit entfernt. Sie überlegte, wie es gewesen wäre, wenn sie und Philip die Chance gehabt hätten, in derselben Zeit zu leben. Wie konnte dem Schicksal hier nur ein solcher Fehler unterlaufen?
Sie erinnerte sich, dass er den Ring erwähnt hatte, und griff in den Umschlag. Tief unten fand sie, eingewickelt in Seidenpapier, einen goldenen Siegelring, in den ein verschnörkeltes W eingraviert war.
»Donnerwetter«, rief Lily mit tellerrunden Augen, als sie den Ring bewunderte. »Bist du verlobt ?«
»Im Herzen, ja«, erwiderte Michele lächelnd. Sie betrachtete den Ring, und ihre Gefühle überwältigten sie. Schließlich streifte sie sich den Ring über den Finger; er gefiel ihr. Aber sie wusste, was sie zu tun hatte.
»Lily, hast du vielleicht etwas zu Schreiben hier?«
»Natürlich.« Während Lily nach Papier suchte, drück te Michele Philips Brief an sich. Wenn sie die Augen schloss und sich konzentrierte, konnte sie seine Stimme die Worte, die er geschrieben hatte, flüstern hören. Michele erinnerte sich plötzlich an das portugiesische Wort, das ihre Mom ihr an ihrem letzten gemeinsamen Tag beigebracht hatte: sodade . Für dieses Gefühl der Nostalgie gab es keine Übersetzung, das ihm gerecht wurde. Genau dieses Gefühl hatte Michele im Augenblick.
»Da«, sagte Lily und reichte ihr Füllfeder, Papier und einen Umschlag. »Du kannst meine Frisierkommode zum Schreiben benutzen.«
»Danke, Lily.« Michele nahm Platz und fing an:
Lieber Philip,
ich liebe dich genauso wie du mich. Manchmal überlege ich sogar, ob ich dich nicht noch mehr liebe. Was auch immer sich in meiner Zukunft ereignet, du wirst immer der Einzige sein.
Ich kann dir nicht genug für den wundervollen Ring danken. Er bedeutet mir so viel, und der Gedanke, dass ich jeden Tag einen Ring tragen darf, der dir gehört hat, gefällt mir.
Ich wünschte, ich könnte sagen, ich hätte eine Möglichkeit für uns gefunden, zusammen zu sein, aber so ist es nicht. Ich kann noch immer nicht voll und ganz in einer anderen Zeit als der meinen leben. Doch ich bin zurückgekommen, um dir all das zu zeigen, wofür es sich weiterzuleben lohnt. Bitte, mach weiter, gründe eine Familie und hör nicht auf zu komponieren. Ich könnte es nicht ertragen zu wissen, dass ich schuld an deinem einsamen Leben bin oder dich daran gehindert habe, dein volles Potenzial zu entfalten. Denk aber immer daran, dass ich immer noch dasselbe fühle wie während unserer Tage und Nächte im Jahr 1910. Ich werde in dir stets meine wahre Familie sehen. Und ich hoffe, es geht dir genauso.
In ewiger Liebe,
Michele
Als sie fertig war, waren ihre Augen blind vor Tränen. Sie schrieb PW auf den Umschlag, um nicht Lilys Zorn zu erregen, weil sie mit einem Walker korrespondierte. Dann wandte sie sich wieder ihrer Urgroßmutter zu. »Lily, darf ich dich um einen riesigen Gefallen bitten? Kannst du dafür sorgen, dass dieser Brief morgen früh im Waldorf-Astoria abgeliefert wird?«
Lily nickte und nahm den Brief an sich. » PW … der Komponist deiner Songs«, sagte sie langsam, und Erkenntnis dämmerte ihr.
Michele nickte, verlor aber kein weiteres Wort.
»Du bist nicht nur ein Geist, nicht wahr?«, stieß Lily hervor.
Michele sah sie an und beschloss, dass sie nicht länger lügen konnte. »Nein, bin ich nicht«, gestand sie. »Die Wahrheit ist … ich komme aus der Zukunft, aus dem Jahr 2010. Und … ich bin deine Urenkelin.«
Verblüfft starrte Lily sie an. In diesem Augenblick spürte Michele, wie sie wieder auf Zeitreise geschickt wurde, denn Lily und der Ankleideraum
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