Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
Vom Netzwerk:
„Wolltest du diese Wette eigentlich gewinnen oder verlieren? Es würde mich
    interessieren, das zu erfahren.“
    Timm antwortete ausweichend: „Meistens schließt man Wetten
    ab, um sie zu gewinnen.“
    „Dann war es ein exquisiter Einfall!“ rief der Baron. Er sprang
    wieder auf, kreuzte die Arme über der Brust und begann, in den
    Räumen auf- und abzuwandern.
    Timm blieb auf der Chaiselongue liegen und fragte von dort:
    „Gilt unser Vertrag eigentlich noch? Ich habe ihn doch mit dem
    ersten Baron Lefuet abgeschlossen und nicht mit dessen angeblichem Zwillingsbruder.“
    Lefuet kehrte vom Salon ins Schlafzimmer zurück und sagte im
    Gehen: „Der Vertrag wurde mit dem Baron L. Lefuet abgeschlossen.
    Ich heiße Leo Lefuet. Vorher nannte ich mich Louis Lefuet. Beide
    Male ein L. mein Junge.“
    „Wenn es gar keinen Zwillingsbruder gibt“, fragte Timm weiter,
    „wer wird dann an Ihrer Stelle begraben?“
    „Ein armer Hirte ohne Familie, mein junger Freund.“
    Lefuet sprach mit genüßlich gespitztem Munde: „Im Hochland
    von Mesopotamien, unweit des Berges Djabal Sindjar, liegt mein
    Hauptwohnsitz, ein kleines Schloß; dort trägt man ihn an meiner
    Statt zu Grabe.“
    Der Baron nahm seine Wanderung in die anderen Gemächer
    wieder auf. Während seine Stimme sich entfernte, hörte Timm ihn
    sagen: „Mein Schlößchen liegt im Lande der Yeziden. Weißt du, wer die Yeziden sind?“
    „Nein“, erwiderte Timm, der sich über die Redseligkeit des
    Barons wunderte.
    Die Stimme kam wieder näher. Lefuet sagte: „Yeziden sind
    Teufelsanbeter. Sie glauben, daß Gott dem Teufel verziehen und ihm die Leitung der Welt übertragen habe. Deshalb beten sie Satan als den Herrn der Welt an.“
    Der Baron war wieder ins Schlafzimmer zurückgekehrt. Timm
    sagte ohne große Anteilnahme: „Aha, so ist das!“
    „Aha, so ist das“, äffte der Baron den Jungen sichtlich verärgert nach. Zum erstenmal verlor sein Gesicht den belustigten Zug. „Der Teufel scheint dir gleichgültig zu sein, wie?“
    Timm begriff nicht, was den Baron bei diesem Gespräch so
    erregte. Er fragte in aller Unschuld: „Gibt es den Teufel denn
    wirklich?“
    Lefuet sank wieder in den elfenbeinverzierten Stuhl. Er stöhnte:
    „Bist du so einfältig, oder tust du nur so? Hast du nie von Menschen gehört, die mit dem Teufel einen Vertrag geschlossen und diesen
    Pakt mit ihrem Blut unterschrieben haben?“
    Bei dem Wort „Vertrag“ horchte Timm auf. Er glaubte, Lefuet
    wolle jetzt über seinen Vertrag mit ihm reden. Aber der Baron faselte weiter von Teufeln und Dämonen. Er sprach von Belial, dem Herrn
    der Hölle, von den Dämonen Forcas, Astaroth und Behemoth, von
    Hexen und Schwarzer Magie und von dem berühmten Zauberer
    Doktor Faustus, der den Unterteufel Mephistopheles zum Diener
    hatte.
    Als er merkte, daß er den Jungen damit gründlich langweilte,
    erhob er sich und murmelte: „Ich muß deutlicher werden.“
    Timm hatte sich wieder in die Kissen zurückgelegt. Seine rechte
    Hand, die herunterbaumelte, spielte, ohne daß der Junge sich dessen bewußt war, mit einem der seidenen Pantoffeln, die man ihm
    bereitgestellt hatte. Sein Blick war wieder auf den Kronleuchter
    gerichtet, in dessen gläsernen Tropfen sich die hagere Figur des
    Barons vielfach und in seltsamen Verzerrungen spiegelte.
    Lefuet fragte jetzt geradezu: „Willst du den Spruch lernen, mit
    dem Doktor Faustus seinen Teufel beschwor?“
    „Nein“, sagte Timm, ohne den Kopf zu wenden. Er sah durch die
    flirrenden Glastropfen des Kronleuchters eine vervielfachte
    Grimasse des Barons zucken, und dann hörte er wieder dessen
    Stimme.
    „Soll ich die Beschwörung wenigstens sprechen?“ fragte Lefuet
    mit merklich unterdrücktem Ärger.
    „Meinetwegen, Baron!“ Man hörte Timms Stimme an, daß dies
    alles ihm gleichgültig war. Immerhin wurde seine Neugierde ein
    kleines bißchen wach, als er die winzigkleinen Lefuets in den
    geschliffenen Gläsern ihre spindeldürren Ärmchen beschwörend
    erheben sah.
    Lefuet sprach jetzt sehr langsam und mit merkwürdig hohler
    Stimme die Worte:

    „Bagabi laca bachabe
    Lamac cahi achababe
    Karrelyos
    Lamac lamec Bachlyas
    Cabahagy sabalyos…“

    Als der Baron mit der Beschwörung so weit gekommen war, fing
    der Kronleuchter leicht zu schwanken an – wahrscheinlich eine
    Folge von Lefuets heftigen Armbewegungen – und eine aufgestörte
    ungewöhnlich große Spinne seilte sich aus der Mitte des
    Kronleuchters an ihrem Faden nach

Weitere Kostenlose Bücher