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Tintorettos Engel

Titel: Tintorettos Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melania G. Mazzucco
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sehr zufrieden. Die Geschäfte liefen insgesamt gut, um ihn bräuchte ich mir keine Sorgen zu machen. So sind meine Kunden zu seinen geworden. Mit der gleichen Ausdauer und Schnelligkeit wie ich erledigt er Arbeiten, an denen andere längst zerbrochen wären. Er malt die gleichen Gegenstände und auf gleiche Art wie ich. Dennoch ist sein Pinselstrich nicht meiner - allenfalls eine Annäherung. Sie ähneln sich wie der Samen der Frucht. Ich ermahnte ihn, sich nicht von Arbeit erdrücken zu lassen. Das Leben nicht zu vergessen. Wie sagte noch der lateinische Dichter, der ihm als Knabe so gefallen habe? Catull? Ovid? Horaz? Carpe diem . Jeder verflogene Augenblick ist ein verlorener.
    Das priesterliche Gewand hatte er in seiner Jugend letztendlich abgelehnt, aber auch jedwede Frau. Jegliches Einmischen vonseiten
seiner Mutter verbat er sich, und wenn sie ihm doch einmal eine junge Frau als Braut vorschlug, fertigte er sie kurzerhand mit einer rohen Bemerkung ab. Erst müsse er sie bis ins letzte Detail kennengelernt haben. Ehefrauen seien doch wie Pferde, Diener oder Matratzen: Man kaufe sie sich nicht, ohne sie vorher ausprobiert zu haben. Da man aber eine Frau nicht anständig ausprobieren könne, sei der Nutzen das Risiko nicht wert.
    Faustina war darüber besorgt. Jedes Mal, wenn wir uns zurückzogen und ich ihr Befriedigung gab, rekelte sie sich in ihren Laken und sagte:«Der Vater plustert sich noch immer zur Balz auf, und die Söhne? Sind sie aus Wasser? Wie kommt es, dass noch kein Tintoretto eine Frau hat oder den Gedanken hegt, eine Familie zu gründen? Ist das nicht krankhaft?»«Nein», antwortete ich,«meine Söhne sind intelligente Männer, und intelligente Männer, es sei denn, sie sind so verrückt wie ich, heiraten nicht.»«Du gemeiner Hund», sagte Faustina lachend und zerkratzte mir den Rücken, bis wir die Auseinandersetzung genüsslich unter unserer Bettdecke fortführten.
    «Sag mal, hast du eigentlich keine Gespielin, Dominico?», fragte ich ihn nun wie aus heiterem Himmel.«Mit vierunddreißig Jahren wird es langsam Zeit. In deinem Alter hatte ich eine.»«Du hattest auch eine mit siebzig!», entgegnete er. Der Tadel war nicht zu überhören. Ich weiß, dass Dominico mich verurteilt. Das war zu erwarten. Gern hätte ich ihm noch beigebracht, menschliche Schwächen zu akzeptieren, ging es doch im Leben nicht darum, über andere zu richten, sondern sie zu verstehen. Ich hatte jedoch nur die Zeit aufgewendet, ihm die Helldunkelmalerei beizubringen. Vater und Sohn sollten eigentlich nicht über solche Dinge sprechen - und brav haben wir diese alberne Anstandsregel bislang befolgt. Aber wie zwei Fremde, die sich auf Reisen begegnen und sich frei, da fern der Heimat, fühlen, ließen wir uns im schummrigen Schlafzimmerlicht zu Vertraulichkeiten hinreißen.«Nun denn, ich habe keine», fügte Dominico an.«Die Umschwärmte
hatte ich ja im Haus. Das ist wohl Familientradition, und auch darin habe ich meinen Meister nachgeahmt.»
    Ich lächelte, da in seiner Stimme weder Groll noch Bedauern, sondern einzig eine zärtliche Sehnsucht lag.«Du hast ja noch keine Ahnung, von welchem Aphrodisiakum Ruhm sein kann», versicherte ich ihm.«Es heißt Macht. Deswegen musst du den Namen, den du von mir übernommen hast, so pfleglich behandeln wie einen Adelstitel. Dieses Erbe mag dir kläglich erscheinen - aber glaub mir, das ist es nicht. Ein Name kann verlockender sein als ein ganzes Königreich.»«Ehrlich gesagt habe ich eine gewisse Ahnung davon bereits bekommen», gestand Dominico und strich sich den Kinnbart glatt. Gemeinsam lachten wir über die ungeahnten Vorteile eines guten Rufs. Herr, mit Dominico verbrachte ich meine letzte glückliche Nacht.
    «Gefühle sind dagegen wie Schießpulver», bemerkte er,«früher oder später entzünden sie sich und sprengen alles in die Luft. Da schaue ich lieber bei den anderen zu.»Mein Sohn ist wahrhaft ein Dichter, ging es mir da durch den Kopf, auch wenn er keine Verse mehr schreibt, aber er fügte hinzu, es handle sich bei ihm um keine weise Entscheidung, lediglich um eine Überlebensstrategie. Die Kontrolle über sich - und seine Gefühlswelt - zu wahren sei für sein Arbeiten unerlässlich.«Frauen male ich lieber. Wo Form ist, ist auch Schönheit, und auf der Leinwand gibt es weder Zeit noch Betrug. Es ist die einzige Art und Weise, mit der man sie für immer besitzen kann.»
    «Und wenn man sie heiratet», warf ich ein. Dominico entgegnete, das brauche er nicht,

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