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Tintorettos Engel

Titel: Tintorettos Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melania G. Mazzucco
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herumgewühlt hat! Ausgerechnet du, der berühmteste Mann von ganz Venedig, musst wie der größte Geizhals herumlaufen. Ich schäme mich zutiefst für dich, Jacomo - wir sehen aus wie arme Leute.»

    «Das interessiert mich einen feuchten Kehricht!», erwiderte ich und wischte mir mit einem farbverschmierten Lappen, den ich in der Tasche gefunden hatte, über meine Schuhe.«Wenn man Reichtum an Besitz, Titeln und Einkünften misst, dann sind wir tatsächlich arm. Und trotzdem fühle ich mich reicher als der Doge.»«Wenn du so weitermachst, ist das mein Todesurteil», keifte Faustina mit vor Wut funkelnden Augen. Sie schämte sich wirklich, meine Gemahlin - obgleich ich den Grund nicht erahnte. Sie packte mich an den Hemdsärmeln und schüttelte mich wie einen Baum voll reifer Früchte. Wie sehr wünschte ich mir, sie hätte mir nicht diese verbitterte Litanei an Vorwürfen gemacht - hätte sich noch rechtzeitig zusammengerissen. Arme Faustina, durch die jahrelange Sorge um die Familie war sie so geworden. Schade, dass sie nicht so eine elegante, frivole und hochmütige Dame wie die Gattinnen meiner Kunden war. Schade, dass sie nicht ihre Zeit damit verbringen konnte, Spinett zu spielen, sich um die Armen zu kümmern und sich mit den Enkeln zu beschäftigen. Meine Frau hat keine Enkel. Wenn sie das Dienstmädchen beschuldigt, sie bestohlen zu haben, wenn sie griesgrämig den viel zu teuren Barbier bezahlt, wenn sie von mir für jeden Pfennig Rechenschaft fordert und mich dazu zwingt, sie schamlos anzuschwindeln und zu behaupten, ich hätte ihn für einen wohltätigen Zweck ausgegeben, während ich ihn verspielt, versoffen oder verhurt habe, wenn sie den Kindern Vorwürfe macht, weil sie es gewagt haben, sie um Geld zu bitten, dann empfinde ich Scham für sie und für mich.
    Ich hätte lieber darauf verzichtet, mich mitten auf dem Platz vor aller Augen mit meiner Gattin herumzustreiten. Ich tat es aber nicht. Sie schimpfte mich einen alten Stinkstiefel und einen jüdischen Geizkragen, ich sie eine alte Hexe, eine elendige Klette, die mir auf die Eier gehe. Und auch Faustina machte sich nicht bewusst, dass wir wegen meiner Krankheit vielleicht keine Zeit mehr hatten, um uns wieder zu versöhnen - und dass es ratsam
gewesen wäre, die restliche Zeit nicht damit zu vergeuden, uns unwichtige Dinge an den Kopf zu werfen. Möglicherweise sind diese Dinge aber gar nicht so unwichtig, Herr - immerhin betreffen sie unser Leben, und wir haben nur dies eine. Sollte uns tatsächlich das ewige Leben bevorstehen, so glaube ich nicht, dass ich es mit ihr verbringen werde. Vielleicht sehen wir uns nie wieder. Sie wird in das Paradies eingehen, mir wird es versagt bleiben. Auf ewig werde ich mich danach verzehren. Aber ich weiß, wie das ist, die Erfahrung habe ich bereits auf Erden gemacht.
    Da meine Frau nicht aufhörte, mich zu schütteln, begann auch ich an ihr zu zerren, bis ich auf einmal ihren abgerissenen Ärmel in der Hand hielt. Da spürte ich einen ungeheuren Zorn in mir aufwallen und vergaß mich. Ich schrie, dass es ihr recht geschehe, dass sie diese Zimarre nicht hätte anziehen dürfen, sie gehöre ihr nicht, die Barone von Ficenga hätten sie nicht ihr, sondern Marietta geschenkt. Leichenblass ließ Faustina plötzlich meinen Arm los. Wir standen am Ufer am Ponte delle Erbe vor dem Laden eines Wurstmachers. Die an Haken hängenden Schweinswürste rochen nach Pfeffer. Meine Gemahlin versetzte mir eine derart kräftige Backpfeife, dass ich, um nicht ins Wasser zu fallen, zurückwich, ins Taumeln geriet und mich an den Würsten festhalten musste, die ich mitsamt der Stange zu Boden riss. Während ich versuchte, mich aus den Würsten herauszuwinden, die sich wie Girlanden um mich herumgewickelt hatten, und der Wurstmacher schrie und fluchte - du unverschämter Lump, was fällt dir ein, so eine Schweinerei anzustellen, das wirst du mir bezahlen, zum Teufel mit dir -, schlug meine Frau wie wild geworden unentwegt auf mich ein und nannte mich einen geistesgestörten Narren. Weder um sie noch um die Mädchen würde ich mich kümmern, der ganzen Familie würde ich ein jämmerliches Leben im Ungewissen auferlegen. All jene, die nichts mehr benötigten, ja, um die würde ich mich kümmern, aber was sei mit denen, die alles entbehrten? Ottavia und Laura seien schließlich auch meine Kinder.
Was sie mir getan hätten? Mein Herz müsse aus Eis sein, sie auf so schmähliche Weise zu missachten. Sie seien reif genug, um sich mit

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