Tiphanie – Feuer der Sehnsucht
Herzogs! Er passt zu Euch! Er ist rot wie Blut! Leuchtend wie das Blut, das Ihr in Sainte Anne in solchen Strömen vergossen habt! Der Himmel wird Euch für diese Untaten bestrafen!«
»Närrische Litaneien einer Betschwester«, knurrte Paskal Cocherel bösartig. »Der Himmel hat mich schon ausreichend genug dadurch gestraft, dass er die Mittel, die ich für mein Ziel benötige, in die Hände eines Rudels von halsstarrigen kleinen Gören gelegt hat.«
Er ragte so unmittelbar vor Tiphanie auf, dass er sie in seinen Dunst aus Männerschweiß, saurem Wein und Lederkleidern hüllte. Eine Wolke der Niederträchtigkeit, die ihr mehr zusetzte als die Angst vor dem, was er mit ihr tun würde. Sie war ohnehin verloren. Seine Faust krallte sich in ihre seidig hellen Locken, die inzwischen lang genug waren, dass er sie fassen konnte.
Tiphanie kam es vor, als würde er ihr die Kopfhaut abreißen. Sie schrie auf. Tränen rannen über ihre Wangen, aber sie hielt dem drohenden Blick trotz allem stand.
»Wo ist mein Hund?«, fragte sie scharf, obwohl die Worte kaum durch ihre gepresste Kehle dringen wollten. »Was habt ihr mit ihm gemacht?«
»Erschlagen!«
»O nein ...«
Paskal Cocherel sah, wie sich ihre Augen weiteten und ihn anstarrten. Er las unendlichen Abscheu in diesem Blick. Einen solchen Widerwillen, dass er sich unwillkürlich verteidigte. »Ein Hund! Warum siehst du mich an, als hätte ich unseren Herrn Jesus ans Kreuz geschlagen?«
Tiphanie ersparte sich eine Antwort auf diese Gotteslästerung. Sie beschränkte sich auf Schweigen und hatte damit endlich eine Waffe gefunden, die Paskal Cocherel mehr verärgerte als jedes beleidigende Wort.
Sie schloss die Lider und versuchte sich in den verborgensten Winkel ihrer Persönlichkeit zu versenken. Dort wo sie die wenigen glücklichen Momente ihres Lebens hortete, wie ein Geiziger seine Schätze. Ob Jannik de Morvan ihr mehr als einen Gedanken widmete, wenn sie verschwand? Oder war er froh, dass er die Last ihres Schicksals auf einfache Weise los geworden war?
Der Gedanke an ihn bedeutete Entzücken und Qual zugleich. Flucht in einen Traum, der den Mörder ausschloss, der seine Peitsche von neuem hob. Die Hiebe fielen dicht an dicht, und Tiphanies Zähne gruben sich dermaßen tief in die Unterlippe, dass sie ihr eigenes Blut schmeckte. Aber es gelang ihr, jeden noch so kleinen Laut zu unterdrücken. Sie hörte sich lediglich keuchen, und dann war da ein schrecklicher Fluch und das Klappen einer Tür ...
Sie ahnte nicht, dass sie einen Sieg errungen hatte. Der Herzog von St. Cado war gegangen, weil er der eigenen Beherrschung nicht mehr traute. Er fürchtete, sie in seinem Zorn zu Tode zu prügeln, ehe sie ihm sagen konnte, was er wissen wollte. Woher nahm dieses Frauenzimmer die Stärke, ihm zu trotzen? Er sah doch, dass sie litt. Sowohl unter den Schmerzen, wie unter so etwas Albernem wie dem Verlust eines Hundes. Wie konnte sie heulen, bluten und doch stark bleiben?
Tiphanie sank in ihren Fesseln zusammen. Der Tod, den sie sich so sehr ersehnte, ließ auf sich warten.
»Er kann nicht mehr!«
Erwann sah enttäuscht auf Marron, der keuchend auf die Hinterpfoten gesunken war. Der mächtige Jagdhund schüttelte sich, als könne er auf diese Weise die Benommenheit und den Schmerz seiner Wunden vertreiben.
»Er wird weitergehen! Gleich!«, entgegnete Jannik de Morvan knapp und legte die Hand sacht auf den verbundenen, mächtigen Hundekopf. »Alles hängt von dir ab, mein Freund! Das Schicksal hat ihr Los mit dem deinen verbunden, du weißt es!«
Marron jaulte, als habe er jedes Wort verstanden und kam schwankend wieder auf seine vier Beine. Verwunderte Bürgerblicke folgten der seltsamen Gruppe, aber den Ritter kümmerte es nicht. Er hatte nur Augen für das Tier, das sie zwar langsam, aber zielstrebig in die verrufensten Gassen der Stadt führte.
Was hatte Tiphanie dort zu suchen? Wollte sie sich tatsächlich unter die gemeinsten und ärmsten Bewohner der Stadt flüchten? Inzwischen kannte er sie gut genug, um sogar das für möglich zu halten. Sie schätzte sich und ihren eigenen Wert ebenso gering, wie sie den anderer Menschen für zu hoch hielt. Sie würde sich einem Bettler mit der gleichen Aufmerksamkeit zuwenden wie einem Herzog. Die Reinheit ihres Herzens schloss das Böse aus. Und genau darum hatte er solche Angst um sie.
»Die Gasse führt zum Viertel der Gerber, die am Fluss arbeiten«, bestätigte Erwann seine schlimmen Befürchtungen. »In den alten
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