Tiphanie – Feuer der Sehnsucht
Feder und Tinte nicht unbedingt zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Dementsprechend gereizt musterte er seinen Knappen, der artig darauf wartete, dass er zum Sprechen aufgefordert wurde.
»Was ist los?«
»Seine Gnaden, der Herzog, bittet den Seigneur, ihn in seinem Arbeitskabinett aufzusuchen!«
»Ach?«
Erwann wusste die kurze Silbe zu deuten, und er fügte unaufgefordert eine Erklärung hinzu, die vermutlich die Laune seines Herrn noch tiefer sinken lassen würde.
»Eigentlich hat Dame Marthe den Befehl ausgesprochen, Messire. Sie befindet sich mit der Herzogin bei unserem Herrn, und ihre Mienen verraten alle miteinander große Aufregung!«
Obwohl er ihn erwartet hatte, zuckte er unter dem bildhaft ruchlosen Fluch zusammen, der dieser Schilderung folgte. Die Spannungen zwischen dem Ritter und der alten Dame waren niemandem entgangen. So wie es aussah, hatte sich Marthe de Branzel entschlossen, über den Kopf ihres Neffen hinweg zu handeln.
»Du gehst zu Dame Tristane und achtest darauf, dass sie keinesfalls ihr Gemach verlässt!«, befahl der Seigneur de Morvan knapp. »Am besten sagst du ihr, sie soll niemandem öffnen! Nicht einmal einem möglichen Boten des Herzogs. Sie ist nicht da! Ist das klar?«
»Aber Madame ...«
»Mit meiner Tante werde ich selbst reden, darauf kannst du dich verlassen!«
Jannik warf die Feder auf den Tisch und gürtete sich mit dem Schwertgehänge. Eine innere Stimme sagte ihm, dass es keine leichte Unterredung werden würde und dass es nur von Nutzen sein konnte, wenn er Jean de Montfort mit seiner Erscheinung an die Dienste erinnerte, die er ihm auf den Schlachtfeldern der Bretagne erwiesen hatte.
»Worauf wartest du?«
Erwann zuckte zusammen und verließ eilends das Gemach. Sein Herr folgte ihm, während er sich in stillem Ingrimm selbst einen Trottel schimpfte. Er hatte Marthe de Branzel unterschätzt. Ein dummer Fehler, den er nur darauf zurückführen konnte, dass Tiphanie seine Gedanken dermaßen beherrschte, dass es ihm schwerfiel, sich auf etwas anderes zu besinnen.
Dabei hätte er mit so etwas rechnen müssen, seit der Herzog in Begleitung des Grafen und der Gräfin von Vannes wieder in Rennes eingetroffen war. Jean de Montfort wollte seinen Hof zum glanzvollen Mittelpunkt des Landes machen. Die Menschen sollten wieder an Feste und Fröhlichkeit denken und nicht am Kampf und Verderben.
Zu spät erkannte er, dass Dame Marthe sich in unverbesserlicher Selbstherrlichkeit im Mittelpunkt dieses grandiosen neuen Hofes sah. Unersetzliche Stütze der sanften Herzogin, einflussreiche Tante einer begehrten, schönen Erbin, wenn nicht gar so etwas wie die heimliche Regentin, da Jeans Gemahlin den Einflüsterungen alter Damen ein geneigtes Ohr schenkte.
Dass sie es gewagt hatte, gegen seinen Rat Tiphanies Geheimnis zu enthüllen, um diese Ziele zu erreichen, erfüllte ihn mit kaltem Zorn. Mit einer Wut, die seit vielen Jahren sorgfältig verschlossen in ihm schwelte und die plötzlich neue Nahrung erhielt.
Da tat er seit Tagen sein Möglichstes, das Mädchen zu schützen, zu verbergen und die Gefahr zu bannen, in der es schwebte, und was tat dieses Weib? Es marschierte zu Jean de Montfort, um eine Geschichte zu erzählen, die Tiphanie mit einem Schlag wieder in den Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit stellen würde. Paskal Cocherels Handlanger mussten nur noch auf den richtigen Moment warten!
Erwann de Brace riss Tiphanie aus ihren nutzlosen Grübeleien. Sie hatte bereits auf ihn gewartet, und auch Marron winselte bei seinem Anblick voller Vorfreude. Der Knappe hatte es übernommen, Marron nötigen Auslauf zu verschaffen, denn die Kemenate einer Dame war auf die Dauer doch zu klein für den riesigen Jagdhund.
»Du siehst, er will nach draußen.« Tiphanie lächelte den Knappen an. »Du kommst zur rechten Zeit! Dame Marthe hat mich gebeten, hier auf sie zu warten, und sie würde nicht schätzen, wenn ich mich statt dessen mit Marron auf dem Vorwerk vergnüge.«
»Madame ist bei der Herzogin«, verriet der Junge und griff nach Marrons Leine. »Der Seigneur ist ebenfalls dorthin bestellt worden. Aber es scheint ihm nicht zu behagen. Er hat mich zu Euch geschickt, um Euch zu bitten, dass Ihr niemandem die Tür öffnet. Ihr sollt so tun, als wärt Ihr nicht da. Auch wenn der Herzog nach Euch schickt. Fragt mich aber bitte nicht, wie Ihr das machen sollt ...«
»Ach ...«
Tiphanie reagierte ähnlich wie Jannik. Auch sie wusste, dass der Augenblick gekommen war, den sie
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