Tiphanie – Feuer der Sehnsucht
Kinderschar bändigte. »Wie wollt Ihr gesund und stark werden, wenn Ihr keine Nahrung zu Euch nehmt?«
Ich muss nicht gesund und stark sein, rebellierte Tiphanie stumm. Ich würde mich am liebsten in dieses Bett dort legen und nie wieder aufstehen. Ich möchte einfach darauf warten, dass alles ein. Ende findet. Jeden Morgen, an dem sie erwachte, war sie enttäuscht darüber, dass sie sich von neuem dem Leben stellen musste.
»Kindchen!« Edeldame hin, Edeldame her, für Gwenna war sie einfach eine junge Frauensperson, die vor lauter Kummer keinen Ausweg mehr sah. »Es ist ja vielleicht nicht gerade das, was die Herren der Kirche gerne sehen, aber es ist beileibe nicht das Unglück, das Ihr daraus macht. In alten Zeiten wurden in unserer Heimat die Frauen dafür geehrt, dass sie Leben schenken konnten. Warum freut Ihr Euch nicht darüber?«
Tiphanie blinzelte verwirrt. Sie hatte keine Ahnung was Olivianes Haushofmeisterin mit diesen mysteriösen Worten sagen wollte. »Ich schenke niemand Leben«, sagte sie gepresst.
»Hört auf, eine Frau an der Nase herumzuführen, die selbst acht Bälger geboren hat.« Gwenna lachte ihr ins Gesicht. »Ihr seid in der Hoffnung, und wenn mich nicht alles täuscht, werdet Ihr im Herbst ein Kindchen in Euren Armen halten, ob es Euch passt oder nicht!«
Tiphanie schwankte und stützte sich Halt suchend gegen den Fensterrahmen. Das holzgetäfelte kleine Zimmer mit den hübschen Fenstern, den geschnitzten Möbeln und dem üppigen Tablett auf dem Tisch, drehte sich vor ihren Augen. Sie vergaß zu atmen und schnappte erst wieder erschrocken nach Luft, als Gwenna sie energisch schüttelte.
»Was ist los mit Euch?«, rief sie besorgt. »Ihr werdet mir doch nicht die Besinnung verlieren? Jetzt ist aber wirklich Schluss mit diesen Faxen. Hier, Ihr trinkt jetzt einen Becher frischen Cidre und esst wenigstens eine Schale Getreidebrei!«
Sie packte die junge Frau ohne große Umstände, setzte sie auf den Stuhl am Tisch und drückte ihr einen Becher Apfelmost in die Hand.
»Trinkt!«, kommandierte sie in einem Ton, den Tiphanie von Jannik kannte.
»Ihr habt es nicht gewusst?«, fragte sie vorsichtig, als zarte Röte in die Wangen der jungen Frau zurückkehrte und sie einen tiefen Atemzug machte.
Tiphanie schüttelte sprachlos den Kopf. Maître Tadéus und seine rosig ausgemalten Zukunftsvisionen fielen ihr ein. Hatte er es ebenfalls vor ihr erkannt? Sie bekam ein Kind! Janniks Kind! Die Welt drehte sich noch immer um sie, aber plötzlich kam sie ihr viel bunter und schöner vor. So, als wäre die Sonne plötzlich zwischen den Wolken herausgekommen, um alles mit Wärme und Licht zu erfüllen.
»Wer hat sich denn bisher um Euch gekümmert?«, polterte Gwenna empört. »Wenn’s Euch jeden Morgen speiübel ist, Ihr nichts essen wollt und gleichzeitig von innen heraus leuchtet wie eine Kerze, muss das den Menschen in Eurer Umgebung doch aufgefallen sein? Was ist mit Eurer Magd, Eurer Kammerfrau?«
»Ich habe keine Magd gehabt. Ich war doch selbst eine Dienerin von Dame Marthe«, entgegnete Tiphanie völlig geistesabwesend und begann tatsächlich, ein paar Löffel süßen Getreidebrei zu essen.
»Nun, jetzt ist das auf jeden Fall ganz anders!«, behauptete Gwenna. »Putzt die Schale leer und danach legt Ihr Euch noch einmal flach aufs Bett. Auf die Weise wird Euch am wenigsten schlecht. Ich muss sehen, ob ich in der Küche die nötigen Kräuter für einen Tee finde, der Euren Magen beruhigt ...«
Sie nahm das Tablett mit sich und eilte mit der Miene einer Frau hinaus, die eine lohnende Aufgabe gefunden hat und sich nicht einmal durch den Weltuntergang davon abbringen lässt.
Tiphanie hingegen strich sich mit einer seltsam zitternden Geste eine Locke aus der Stirn. Ihr Herz, das vorhin regelrecht ausgesetzt hatte, schlug wieder in alter Stärke. Es pumpte freilich ein anderes Blut durch ihren Körper. Blut, in dem die Freude gleich kleinen Wasserbläschen perlte, knisterte, aufbrach und platzte. Es transportierte dieses unglaubliche Glück bis in die äußersten Spitzen ihres Körpers, wo es sich ausbreitete und Wärme abgab. Eine Wärme, die ihr erstarrtes Herz auftaute.
In ihr wuchs Janniks Kind! Sie war nicht mehr allein! Es gab jetzt einen Menschen, der zweifelsfrei zu ihr gehörte, den sie lieben durfte und der diese Liebe erwidern würde! Sie war völlig berauscht von dieser unerwarteten Freude. Von diesem Geschenk, mit dem sie nicht gerechnet hatte und das sie in närrische
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