Titan 09
verzweifeltem Zorn gegen die Barriere schlug. Er zwang sich, aufzuhören.
Er schloß die Augen und versuchte sich zu beruhigen.
»Hallo«, sagte die Stimme.
Es war ein schwaches, dünnes Stimmchen, es klang wie…
Er öffnete die Augen und drehte den Kopf. Es war die Eidechse.
»Geh weg«, wollte Carson sagen, »geh weg, du bist nicht wirklich da, oder du bist da, sprichst aber nicht wirklich, ich fantasiere nur.«
Aber er konnte nicht sprechen. Die Trockenheit seiner Kehle und seines Mundes ließ keinen Laut mehr zu. Er schloß die Augen.
»Schmerzen!« sagte die Stimme. »Töten. Schmerzen-Töten. Komm!«
Er öffnete die Augen wieder. Die blaue zehnbeinige Eidechse war noch immer da. Sie lief ein Stück die Barriere entlang, kam zurück, lief wieder los und kam zurück.
»Schmerzen«, sagte sie, »töten, komm!«
Carson stöhnte. Wenn er dem verfluchten Ding nicht folgte, würde er nie mehr Ruhe haben.
Also folgte er ihm, kriechend. Ein anderes Geräusch drang an sein Ohr. Ein durchdringendes hohes Quietschen. Es kam näher.
Etwas lag dort im Sand, wand sich und zuckte. Etwas kleines, das auch wie eine Eidechse aussah, aber nicht ganz…
Dann sah er, was es war. Es war die Eidechse, deren Beine die Kugel ausgerissen hatte. Aber sie war nicht tot. Sie war aus der Bewußtlosigkeit erwacht und wand sich nun, vor Schmerzen schreiend.
»Schmerzen«, sagte die andere Eidechse, »Schmerzen, töten, töten.«
Carson verstand. Er zog das Steinmesser aus seinem Gürtel und tötete die gequälte Kreatur. Die lebende Eidechse huschte schnell davon.
»Wenn ich nur so weit käme«, dachte er, »wenn ich durchkäme. Ich könnte gewinnen. Sie sieht auch schwach aus. Ich könnte…«
Und dann hatte er wieder das Gefühl schwärzester Hoffnungslosigkeit. Der Schmerz überwand seinen Willen, und er wünschte, daß er tot wäre. Er beneidete die Eidechse, die er gerade getötet hatte. Sie brauchte nicht weiterzuleben und zu leiden. Aber er mußte es. Es konnte noch Stunden oder Tage dauern, bis die Blutvergiftung ihn umbrachte.
Und wenn er das Messer gegen sich gebrauchte…
Aber er wußte, daß er das nicht tun konnte. Solange er noch lebte, gab es immer noch den Bruchteil einer Chance…
Er spannte sich, drückte mit den flachen Händen gegen die Barriere. Dabei bemerkte er, wie dünn seine Arme geworden waren. Er mußte also wirklich schon eine lange Zeit hier sein. Es dauerte doch bestimmt Tage, bis sie so dünn werden konnten.
Wie lange konnte es noch dauern, bis er sterben würde? Wieviel Hitze, Durst und Schmerz konnte sein Körper ertragen?
Einen Augenblick lang wurde er beinahe wieder hysterisch, aber dann kam eine Zeit tiefer Ruhe, und ein Gedanke, der aufregend war.
Die Eidechse, die er gerade getötet hatte. Sie hatte die Barriere durchquert, als sie noch lebte. Sie war von der Seite der Kugel gekommen; die Kugel hatte ihr die Beine ausgerissen und sie verächtlich in seine Richtung geworfen, und sie war durch die Barriere gekommen. Weil sie tot war, so hatte er angenommen.
Aber sie war nicht tot gewesen, nur besinnungslos.
Eine lebende Eidechse konnte nicht durch die Barriere, aber eine bewußtlose konnte es. Also war es keine Barriere für lebende Wesen, sondern nur für Wesen mit Bewußtsein. Es war eine geistige Projektion, eine geistige Sperre.
Und mit diesem Gedanken begann Carson an der Barriere entlangzukriechen, für seinen letzten verzweifelten Zug. Es war eine Hoffnung, die zu unwahrscheinlich war, ein Versuch, den nur ein sterbender Mensch zu unternehmen wagte.
Es hatte gar keinen Sinn, die Erfolgschancen auszurechnen, denn wenn er es nicht versuchte, waren seine Chancen ohnehin gleich Null. Er kroch die Barriere entlang, bis er zu dem einen Meter hohen Sandhaufen kam, den er aufgeworfen hatte, als er – vor wie vielen Tagen? – versuchte, ein Loch unter der Barriere hindurchzugraben.
Der Haufen war an der Barriere aufgetürmt.
Er nahm einen Stein von einem Haufen in der Nähe, kletterte ganz oben auf den Sandhügel und lehnte sich gegen die Barriere. Sein ganzes Gewicht lastete dagegen, so daß er in das Gebiet seines Gegners hinüberrollen mußte, wenn die Barriere plötzlich aufgehoben würde.
Er vergewisserte sich noch einmal, daß das Messer fest in seinem Gürtel steckte, daß die Harpune sicher in seiner Armbeuge lag, und daß das Seil an ihr und an seinem Handgelenk gut verknotet war. Dann hob er mit der rechten Hand den Stein, der ihn am Kopf treffen sollte. Bei diesem
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