Titan 10
vorüber. Er tat, was man ihm gesagt hatte, zitterte zwar immer noch, war aber wenigstens wieder imstande zu gehorchen.
Das Kontrollzentrum war nur spärlich eingerichtet, bestand – von den Instrumentenpulten abgesehen – aus Sesseln, die normalerweise die Körper der Operateure beherbergen sollten. Die Instrumente waren so angebracht, daß die Männer sie bequem sitzend erreichen konnten. Sie waren gut erkennbar, nahmen aber keine Sicht weg. Die Sessel hatten hohe Lehnen, und auch darin waren noch einzelne Schalter angebracht – doch das hatte Hugh noch nicht bemerkt.
Er nahm Platz, und der Sessel bewegte sich, so daß er nun unter den Instrumenten lag, zufrieden ob der Sicherheit, die der Sessel ihm bot. Er saß sehr bequem und konnte sich entspannen, fühlte wohlige Ruhe.
Aber etwas geschah auf dem Anzeigenpult vor Joe‐Jim; aus den Augenwinkeln bekam er es mit und drehte sofort den Kopf. Helle rote Buchstaben glühten auf, ganz oben am Pult: ZWEITER ASTROGATOR POSTIERT. Was war ein zweiter Astrogator?
Er wußte es nicht. Erst dann bemerkte er, daß oben an den Pulten vor seinem Sessel ein Schild angebracht war, auf dem ebenfalls ZWEITER ASTROGATOR zu lesen war, und schloß daraus, daß er – oder besser der Mann, der normalerweise hier saß, diese Bezeichnung trug. Plötzlich fühlte er sich unbehaglich, da er das Gefühl hatte, der Zweite Astrogator könne jeden Moment zurückkommen und sehen, wie er unbefugt seinen Platz eingenommen hatte, aber diesen Gedanken verwarf er schnell wieder – er war auch zu unwahrscheinlich.
Aber trotzdem – was war ein Zweiter Astrogator?
Die Buchstaben auf Joe‐Jims Pult verschwanden, dafür erschien ein roter Punkt an der linken Kante, der konstant leuchtete. Joe‐Jim hantierte an irgendwelchen Schaltern herum, und sein Bildschirm berichtete: BESCHLEUNIGUNG – NULL, dann HAUPTANTRIEB. Das letzte Wort blinkte mehrere Male auf und wurde schließlich durch KEIN BERICHT ersetzt. Auch diese Worte erloschen wieder, und rechts erschien ein heller grüner Punkt.
»Mach dich bereit«, sagte Joe und blickte Hugh dabei an, »es wird jetzt dunkel!«
»Du willst doch nicht etwa das Licht ausschalten?« protestierte Hugh.
»Ich nicht – aber du. Faß die Lehne an deiner linken Hand ins Auge. Erkennst du die kleinen weißen Lichter?«
Hugh gehorchte und fand acht kleine, in zwei hintereinanderliegenden Vierecken angeordnete Lichtpunkte, die durch die Lehne seines Sessels schienen.
»Mit jedem kann man das Licht eines Quadranten kontrollieren«, erklärte Joe. »Bedecke sie so mit deiner Hand, daß kein Licht mehr herauskommt. Nun mach schon!«
Zögernd und fasziniert zugleich gehorchte Hugh. Er tat, wie ihm geheißen, legte die Handfläche auf die Punkte und wartete. Die silberne Sphäre verdunkelte sich, leuchtete immer schwächer und machte schließlich völliger Dunkelheit Platz, die nur von dem schwachen Glimmen der Instrumentenpulte etwas erhellt wurde. Hugh war von nervöser, aber auch freudiger Spannung erfüllt. Er zog die Handfläche zurück; die Sphäre blieb dunkel, die acht weißen Lichter waren blau geworden.
»Jetzt«, sagte Joe, »werde ich dir die Sterne zeigen!«
In der Finsternis fuhr Joe‐Jims rechte Hand über acht andere Lichter.
Schöpfung!
Originalgetreu reproduziert schienen die Sterne, deren Licht die Spiegel eingefangen hatten, hell und leuchtend von den Wänden des Stellariums herab, so wunderschön, wie die echten Sonnen in der samtenen Schwärze des Alls schienen. Ein Juwel neben dem anderen war in sinnloser Großzügigkeit über den künstlichen Himmel verschüttet, er sah eine endlose Zahl glänzender Diamanten – vor sich, über sich, hinter sich, unter sich, in jeder Richtung. Er hing allein im Zentrum des mit Sternen gesprenkelten Universums.
»Ohhh!« Unwillkürlich atmete er tief ein, klammerte sich so fest an die Lehnen des Sessels, daß ihm die Fingernägel abbrachen, aber er bemerkte es gar nicht. Auch hatte er keine Angst mehr, in seinem Geist war jetzt nur Platz für eine einzige Emotion. Das Leben in Dem Schiff, so hart und arbeitsreich es auch war, hatte seine Fähigkeit, Schönheit zu empfinden, nicht zerstört, und zum ersten Mal in seinem Leben erfuhr er den fast unerträglichen freudigen Schock angesichts natürlicher Schönheit. Das Erlebnis erschütterte und überwältigte ihn, wie die erste Ekstase einer jungen Liebe. Es dauerte lange, bevor sich Hugh von dem Schock und dem völlig neuen, überwältigenden Gefühl
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