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Titan 11

Titan 11

Titel: Titan 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
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»Er nimmt es überall mit hin. Man munkelt sogar, daß er damit schläft.«
    »Ein Raumfahrer verhätschelt sein Fahrrad!« Der Botschafter schnaubte vernehmlich durch die Nase. »Bereitet es dem Mann besonderes Vergnügen, im All einmal ordentlich in die Pedale zu treten?«
    »Das weiß ich nicht, Euer Exzellenz.«
    »Hm… Schicken Sie diesen Harrison zu mir. Wir werden einen Verrückten mit einem anderen Verrückten fangen.«
    Grayder blinzelte ungläubig, begab sich zur Sprechanlage und schaltete sie ein. »Der Zehnte Ingenieur Harrison hat sich sofort im Kartenraum einzufinden!«
    Nach zehn Minuten tauchte Harrison auf. Er war die Dreiviertelmeile vom Antriebsraum am Heck zum Kartenraum am Bug gelaufen, ein dünner, drahtiger Mann mit dunklen, affenartigen Augen und so weit abstehenden Ohren, daß sie beim Fahrradfahren einen nicht zu unterschätzenden Luftwiderstand erzeugen mußten. Der Botschafter betrachtete ihn mit der Neugier eines Zoologen, der soeben eine rosafarbene Giraffe entdeckt hat.
    »Mister, wenn ich recht verstanden habe, besitzen Sie ein Fahrrad.«
    Harrison war sofort auf der Hut. »Die Vorschriften besagen nichts dagegen, Sir, und daher…«
    »Zum Teufel mit den Vorschriften!« Der Botschafter machte eine ungeduldige Handbewegung. »Wir stecken mitten in einer ganz verrückten Situation und müssen verrückte Methoden anwenden, um aus ihr herauszukommen.« »Ich verstehe, Sir.« »Ich möchte, daß Sie etwas für mich tun. Holen Sie Ihr Fahrrad heraus, fahren Sie zur Stadt, suchen Sie den Bürgermeister, Sheriff, den Ersten Vorsitzenden oder den Kalifen oder wie immer er sich nennen mag, und laden Sie ihn offiziell zu einem Abendessen ein. Er soll alle Würdenträger seines Stabes mitbringen. Die Ehefrauen natürlich auch.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Kein Garderobenzwang«, fügte der Botschafter hinzu.
    Harrison spitzte ein Ohr und schien das andere abzuwinkeln. »Wie bitte, Sir?« »Sie können anziehen, was sie wollen.« »Ah ja, jetzt habe ich verstanden. Soll ich sofort aufbrechen, Sir?« »Sofort. Kehren Sie so schnell wie möglich zurück und übermitteln Sie mir die Antwort.« Nachlässig salutierend verließ Harrison den Kartenraum. Seine Exzellenz setzte sich wieder, machte es sich bequem und ignorierte die Blicke der anderen.
    »So einfach ist das!« meinte er schließlich. Er zog eine lange Zigarre hervor und biß sorgfältig ein Ende ab. »Wenn wir ihren Geist nicht packen können, versuchen wir es über ihre Mägen.« Er warf Grayder einen wissenden Blick zu. »Captain, Sie sorgen dafür, daß es genug zu trinken gibt. Starke Alkoholika. Venusianischen Cognac oder etwas ähnlich Umwerfendes. Geben wir ihnen eine Stunde vor einem wohlgefüllten Tisch, und sie werden wie ein Wasserfall reden. Wahrscheinlich werden sie den Mund die ganze Nacht über nicht zubekommen.« Er zündete die Zigarre an und paffte genießerisch. »Das ist die altbewährte und erfolgreichste Technik der Diplomatie – die Verführung des Geistes durch einen wohlgefüllten Magen. Das zieht immer. Sie werden ja sehen!«
    Der Zehnte Ingenieur Harrison trat in die Pedale und erreichte schließlich die ersten Straßen der Stadt, die an beiden Seiten von kleinen Häusern mit hübschen Vorder‐und Hintergärtchen gesäumt war. Eine etwas dickliche, aber freundlich aussehende Frau war gerade mit dem Schneiden einer Hecke beschäftigt. Er stieg neben ihr ab und lüftete höflich seine Mütze.
    »‘tschuldigung, Madam, ich suche den gewichtigsten Mann der Stadt.«
    Sie drehte sich um, schenkte ihm einen beiläufigen Blick und deutete mit der Gartenschere nach Süden. »Das ist Jeff Baines. Die erste Straße rechts, dann die zweite links. Ein kleines Delikatessengeschäft.«
    »Danke!« Er fuhr weiter und hörte das Klipp ‐ klapp hinter sich verklingen. Die erste Straße rechts. Er fuhr um einen langen, tiefliegenden Lastwagen mit Gummibällen, der an der Ecke parkte. Die zweite links. Drei Kinder deuteten auf ihn und warnten ihn laut schreiend, daß sein Hinterrad sich im Kreise drehe. Er fand das Delikatessengeschäft, lehnte sein Rad an den Bordstein und gab ihm einen ermunternden Klaps, bevor er hineinging und sich Jeff Baines betrachtete.
    Und es gab viel zu sehen. Jeff hatte ein vierfaches Kinn, einen Nacken von sechzig Zentimetern und einen Bauch, der einen halben Meter hervorragte. Ein gewöhnlicher Sterblicher hätte sich aus einem Hosenbein von ihm bequem einen ganzen Anzug schneidern lassen können. Er wog

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