Titan 16
Reaktionen auf all das Dynamit zu schildern, das sie täglich Sorensen diktierten. Wir ließen sie zu ihrem eigenen Nutzen über unser eigentliches Ziel im unklaren, und als sie fertig waren, schickten wir sie über die Grenze nach Mexiko auf eine kleine Ranch, die Johnson gepachtet hatte. Wir würden sie später noch einmal brauchen.
Während die Kopiermaschinen rund um die Uhr arbeiteten, übertraf Marrs sie noch. Presse und Radio schrien die Ankündigung hinaus, daß unser neuester Film in jeder Stadt der Welt, die für uns erreichbar war, gleichzeitig seine Premiere erleben würde. Es würde der letzte Film sein, den wir machen mußten. Viele wunderten sich, daß wir von ›mußten‹ sprachen. Wir reizten ihre Neugierde noch, indem wir uns weigerten, irgendwelche Vorausinformationen über das Thema zu geben, und Johnson schaffte es tatsächlich, die Leute so aufzuputschen, daß keiner von ihnen sich zu irgendwelchen voreiligen Erklärungen hinreißen ließ. Der Tag, den wir für die Freigabe ausgewählt hatten, war ein Sonntag. Am Montag brach der Sturm los.
Ich würde gerne wissen, wie viele Kopien von dem Streifen heute noch existieren. Ich würde gerne wissen, wie viele den Flammen oder der Beschlagnahme entgingen. Wir zeigten zwei Weltkriege, zeigten sie aus den wenig schmeichelhaften Blickwinkeln, die bis jetzt nur durch ein paar Bücher dokumentiert waren, die in den dunkelsten Winkeln der Bibliotheken verschimmelten. Wir zeigten die Kriegsmacher und nannte n si e bei m Namen , die zynischen Kriegstreiber, die lachten und logen, die sogenannten Patrioten, die die Fanale der Schlagzeilen benutzten und sich dann hinter ihrer Fahne verbargen, während Millionen zu Tode kamen: Da waren unsere eigenen Verräter und auch die der anderen, die verborgenen mit den Janus‐Gesichtern. Unsere Lippenleser hatten gute Arbeit geleistet; da gab es keine Vermutungen, keine Indizien aus den zerfetzten Akten einer in Flammen aufgegangenen Vergangenheit, nein, nur exakte Worte, die Verrat brandmarkten, der sich als Patriotismus getarnt hatte.
Im Ausland wurde der Streifen nur einen Tag lang, teilweise sogar kürzer, gezeigt. Gewöhnlich wurden die Filmtheater als Vergeltung für die Zensurmaßnahmen von der wütenden Menge zerstört. (Marrs hatte übrigens Hunderttausende dafür ausgegeben, um Beamte zu bestechen, damit der Film ohne Vorzensur gezeigt werden konnte. In einigen Staaten wurden, als das heraus kam, einige Zensoren ohne Gerichtsverhandlung kurzerhand erschossen.) Auf dem Balkan brachen Revolutionen aus, und einige Botschaften wurden vom Mob gestürmt. Wo der Film verboten oder zerstört wurde, tauchten spontan geschriebene Versionen auf den Straßen oder in den Kaffeehäusern auf. Raubdrucke wurden an Zollwachen vorbeigeschmuggelt, die bewußt zur Seite sahen. Eine Königsfamilie floh in die Schweiz.
Hier in Amerika lief er zwei Wochen, ehe die Bundesregierung, von Presse und Radio aufgehetzt, in einer nie dagewesenen Maßnahme alle Vorstellungen schloß, ›um die allgemeine Wohlfahrt zu fördern, die Ruhe im Lande sicherzustellen und die Auslandsbeziehungen zu schützen‹. Im mittleren Westen liefen Gerüchte um, und es kam zu Zusammenrottungen, bis die Behörden erkannten, daß etwas geschehen mußte, und zwar schnell, sollte nicht jede Regierung auf der ganzen Welt in sich zusammenbrechen.
Wir waren in Mexiko auf der Ranch, die Johnson für die Lippenleser gepachtet hatte. Während Johnson auf und ab rannte und nervös eine Zigarre paffte, deren Ende schon völlig zerkaut war, hörten wir eine Sondersendung des Generalstaatsanwalts:
»… ferner wurde heute an die Regierung der Vereinigten Staaten von Mexiko folgende Mitteilung übermittelt. Ich verlese: ›Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika ersucht um sofortige Festnahme und Auslieferung der folgenden:
Edward Joseph Lefkowicz, bekannt als Lefko.‹« Natürlich stand ich an der Spitze der Liste. Selbst ein Fisch konnte sich aus Ärger heraushalten, wenn er nur den Mund hielt.
»›Miguel José Zapata Laviada.‹« Mike schlug ein Bein über das andere.
»›Edward Lee Johnson.‹« Er warf seine Zigarre auf den Boden und sank in einen Sessel.
»›Robert Chester Marrs.‹« Er zündete sich eine weitere Zigarette an. Sein Gesicht zuckte.
»›Benjamin Lionel Bernstein.‹« Er lächelte ein schiefes Lächeln und schloß die Augen.
»›Carl Wilhelm Kessler.‹« Ein böses Knurren.
»Diese Männer werden von der Regierung der
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