Titan 22
am blutigsten Teil der Kampffront einzunehmen.
Diesmal sah ich Kasernen voll Helden, viele von ihnen doppelt und dreifach vertreten. Und da saßen sie und meckerten, weil Männer in Kasernen immer meckern werden, wenn sie in der Kaserne sitzen, gleichgültig auf welchem Planeten das ist, und gleichgültig, ob sie wie Helden aussehen oder nicht. Aber sie beklagten sich über Erniedrigungen, die tiefer gehen als die Erniedrigungen, denen Männer sonst ausgesetzt sind – Erniedrigungen, die an das Innerste ihrer Persönlichkeit rühren.
»Ihr glaubt also«, sagte ich, »daß man euch die Fähigkeit zur Fortpflanzung bewußt vorenthalten hat?«
Weinstein schnitt eine Grimasse. »Aber Commander, jetzt erzählen Sie uns doch keine Märchen.«
»Habt ihr euch denn nicht überlegt, daß das ganze Problem unserer Rasse im Augenblick die Fortpflanzung ist? Ihr könnt mir glauben, Männer, das ist alles, wovon draußen geredet wird. Schon in der Volksschule wird darüber debattiert. Und jeden Monat kommen neue Bücher auf den Markt, und die Archäologen und die Botaniker lassen sich in ihren Fachgebieten etwas darüber einfallen. Jeder weiß, daß wir den Kampf mit den Eoti nur gewinnen, wenn wir unsere Fortpflanzungsfähigkeit steigern können. Glaubt ihr denn wirklich, daß unter diesen Umständen irgendeiner Person absichtlich die Zeugungsfähigkeit genommen würde?«
»Was kommt es denn auf ein paar Klopse mehr oder weniger an?« wollte Grey wissen. »Nach den letzten Nachrichten haben die Vorräte an Sperma ihren höchsten Stand seit fünf Jahren erreicht. Die Samenbänke schwappen über. Man braucht uns nicht.«
»Commander!« Wang Hsi reckte mir sein Kinn entgegen. »Jetzt möchte ich Ihnen ein paar Fragen stellen. Wollen Sie uns denn wirklich weismachen, daß eine Wissenschaft, die fähig ist, einen lebenden menschlichen Körper mit einem komplizierten Nervensystem zusammenzubauen – und zwar aus halbverwester Protoplasmamasse –, nicht in der Lage sein sollte, wenigstens in einem einzigen Fall auch das Keimplasma wiederherzustellen?«
»Das werden Sie wohl oder übel glauben müssen«, sagte ich. »Es ist nämlich so.«
Wang lehnte sich zurück, und die anderen drei taten es ihm gleich. Sie senkten den Blick. »Habt ihr denn noch nie gehört«, flehte ich sie an, »daß das Keimplasma in sehr viel höherem Maße das Individuum repräsentiert als jeder andere Teil des menschlichen Körpers? Daß es Biologen gibt, die der Ansicht sind, daß unsere Körper in Wirklichkeit bloß Träger sind, die das Keimplasma fortpflanzen? Das ist das komplizierteste biotechnische Rätsel, das es gibt! Ihr könnt mir glauben, Männer«, fügte ich erregt hinzu, »daß ich die Wahrheit spreche, wenn ich sage, daß die Biologie das Problem des Keimplasmas noch nicht gelöst hat. Ich weiß es.«
Das rüttelte sie wieder etwas auf.
»Schaut«, sagte ich, »wir haben mit den Eoti, die wir bekämpfen, eines gemeinsam. Insekten und warmblütige Lebewesen unterscheiden sich in tausendfacher Weise. Aber nur unter den staatenbildenden Insekten und den staatenbildenden Menschen gibt es Individuen, die – obwohl sie an der Fortpflanzung ihrer Rasse keinen Anteil haben – für ihre Gattung von grundlegender Bedeutung sind. So gibt es zum Beispiel Kindergärtnerinnen, die zwar unfruchtbar sind, aber doch von unschätzbarem Wert für die Heranbildung von Persönlichkeiten unter den Kindern, über die sie die Obhut haben.«
»Vierte Lektion für Soldatenersatz«, sagte Weinstein trocken. »Das hat er aus dem Buch.«
»Ich bin verwundet worden«, sagte ich. »Ich bin fünfzehn Mal schwer verwundet worden.« Ich richtete mich vor ihnen auf und begann, den rechten Ärmel hochzurollen. Er war von Schweiß durchnäßt.
»Wir wissen schon, daß Sie verwundet worden sind, Commander«, meinte Lamehd. »Das sehen wir an Ihren Abzeichen. Sie brauchen uns nicht…«
»Und bei jeder Verwundung haben die mich so gut wie neu hergerichtet. Besser sogar. Scheut euch den Arm an!« Ich bewegte ihn. »Ehe er vor sechs Jahren in einem kleinen Gefecht wegrasiert wurde, konnte ich nie einen solchen Bizeps zusammenbringen. Die haben mir auf den Stumpf einen besseren Arm aufgepropft, und ihr könnt mir glauben, daß meine Reflexe nie so gut waren.«
»Was wollten Sie sagen«, fragte Wang Hsi, »als Sie meinten…«
»Fünfzehnmal bin ich verwundet worden«, übertönte ihn meine Stimme, »und vierzehnmal wurde die Wunde repariert. Beim fünfzehnten Mal –
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