Titanen-Trilogie 01 - Das Erbe der Titanen
Armmuskeln waren verkrampft. Irgendwie bekam er Sols Körper vom Boden hoch, warf ihn über die Schulter und erklomm den steilen Abhang. Er keuchte, obwohl er sich nur zentimeterweise vorwärts bewegte.
»Weiter!« rief ihre dünne Stimme immer wieder. »Weiter, weiter, weiter!« Er sah sie vor sich. Sie trug den Sack mit der Ausrüstung. Das Zelt war hastig hineingestopft. Das Wasser lief Sola über den Rücken. Fabelhaftes Hinterteil, dachte Sos bei sich und versuchte, seine Aufmerksamkeit darauf und nicht auf das zentnerschwere Gewicht auf seinen Schultern zu konzentrieren. Es gelang ihm nicht ganz.
Die Flucht schien ewig zu dauern. Sie war ein Alptraum der Qualen und Mattigkeit. Seine Beine machten sinnlose Bewegungen. Seine Füße bohrten sich in den Boden. Er fiel hin, wurde von Solas unbarmherzigen Zurufen aufgerüttelt, taumelte ein paar Meter weiter und fiel wieder hin. Das wiederholte sich endlos. Pelzige Schnauzen mit schimmernden blutigen Zähnen knabberten an seinen Augen, an seinen Nasenlöchern, an seiner Zunge. Warme Leiber knirschten und quiekten unter seinen Füßen. Unmengen von Blut und Knorpeln. Phantastische, beinbleiche Schwingen wirbelten jetzt um ihn herum wie Schneeflocken, wohin er auch blickte.
Es wurde dunkel. Sos fror auf dem feuchten Boden. Neben ihm lag ein Toter. Er wälzte sich hin und her und fragte sich, warum der Tod noch nicht zu ihm gekommen war. Da, auf einmal ein Geflatter! Braune Flügel mit gelben Flecken - Dummerchen saß auf seinem Kopf.
»Gott sei Dank«, flüsterte er. Die Falter würden ihm heute nichts anhaben können. Das war der letzte Gedanke, bevor er in einen dunklen Abgrund fiel.
IV
Sos sah durch seine geschlossenen Lider einen zitternden Lichtschein und erwachte. Sol lag neben ihm. Er schien noch am Leben zu sein. Im flackernden Rot eines vor dem Zelt brennenden Feuers sah er Sola. Sie war nackt.
Jetzt bemerkte er, daß sie alle nackt waren.
»Die Kleider hängen auf der Leine neben dem Feuer«, hörte er sie sagen. »Ihr habt vor Kälte so gezittert, daß ich euch das triefende Zeug ausziehen mußte. Meine Sachen waren ebenfalls naß.«
»Du hast recht getan«, sagte er. Er fragte sich, wie sie es wohl geschafft hatte, ihm die Sachen auszuziehen. Das mußte für sie eine ordentliche Plackerei gewesen sein.
»Jetzt müßten die Sachen schon trocken sein«, sagte sie. »Aber die Falter . . .«
Er sah, daß das Zeltleinen sie vor den Biestern schützte. Sola hatte das Feuer so angelegt, daß der Schein durch das dünne Netz am Eingang einfiel und das Innere erwärmte, ohne daß sie dabei vom Rauch behelligt wurden. Sie hatte die beiden Männer mit dem Gesicht nach unten auf den Boden gelegt. Sie selbst kauerte zwischen ihnen und beugte sich so weit vor, daß die Zeltplane ihren Rücken nicht berührte. Keine bequeme Lage, dachte Sos, obwohl er aus diesem Blickwinkel ungehindert ihren Busen betrachten konnte.
Er schalt sich im stillen, daß ihn zu so unpassender Zeit sinnliche Gedanken bewegten. Doch lief es immer auf dasselbe hinaus. Er konnte Sola nicht ansehen, ohne daß er sie begehrte. Das hatte ihn schon im Traum erschreckt: Daß er die Frau eines Gefährten nahm und dadurch der Unehre verfiel. Sola hatte sehr vernünftig und besonnen gehandelt und ihren Mut bewiesen. Ihrem Verhalten ein sexuelles Motiv zu unterstellen, war eine Beleidigung. Sie war nackt und begehrenswert, aber sie trug den Armreif eines anderen.
»Vielleicht sollte ich lieber die Sachen hereinholen«, sagte er.
»Nein. Die Falter schwirren überall, viel dichter als je zuvor. Dummerchen platzt schon fast, so viele hat er gefressen. Aber wir dürfen nicht einmal die Hand hinausstrecken.«
»Ich werde aber das Feuer neu schüren müssen.«
Draußen war es kalt, das spürte er trotz der Treibhausatmosphäre in dem geschlossen Zelt. Und er sah, daß sie ebenfalls fröstelte.
»Wir könnten uns dichter zusammendrängen«, sagte sie. »Das wird uns warmhalten, wenn Ihr mein Gewicht aushalten könnt.«
Wieder sehr vernünftig von ihr. Das Zelt bot nicht genügend Platz für drei. Wenn Sola sich auf die beiden Männer legte, gab es mehr Platz und mehr Wärme. Beides war dringend notwendig.
Und sie verhielt sich betont sachlich.
Sollte er schwächer sein als sie?
Ihre Schenkel berührten seinen Fuß, ein wunderbares Gefühl. Dann hatte sie ihr Gewicht richtig verlagert. Verbotene Gefühle bewegten ihn jetzt.
»Ich glaube, er hat das Fieber überstanden«, sagte sie. »Wenn wir
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