Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen
streiften.
»Also ist er tatsächlich unversehrt«, sagte die Königin mit einem Blick, als begutachte sie ein Tier.
Die Pflegerin, die sich Solis annahm, sagte: »Gehirnerschütterung. Sieht nicht ernst aus. Prellung im Nacken, wahrscheinlich ist ein Nerv eingeklemmt. Der lockert sich mit Sicherheit wieder.« Sie befeuchtete Solis Gesicht mit Wasser aus einer Schüssel.
Das Mädchen stöhnte auf. Das war der erste Ton, den sie von sich gab, seitdem sie auf das Kehrfahrzeug gesprungen waren. Var wurde vor Erleichterung ganz schwach in den Knien. Wenn sie noch stöhnen konnte, dann konnte sie auch wieder gesund werden.
»Stark sieht er aus«, sagte die Königin. »Aber fleckig. Brauchen wir Gefleckte?«
Niemand gab ihr Antwort. Die Frage war wohl nur rhetorisch gemeint.
Gleich darauf entschied sie. »Ja, wir versuchen mal einen.« Sie machte Var ein Zeichen. »Deine Königin will dich beehren. Komm her.«
Von Speerspitzen vorwärts gestoßen, ging Var auf sie zu. Er hatte so eine Ahnung, was sie meinte, und er fand die Vorstellung ausgesprochen widerlich, doch die Waffen, die um ihn herum starrten, ließen jeden Protest vergeblich erscheinen. Er sah, daß Soli sich aufsetzte, und wollte zu ihr. Wenn seine Chanren nur ein wenig besser gestanden hätten! Allein hätte er einen Ausbruchsversuch gewagt. Jetzt aber wollte er keinen Wirbel machen, der dem noch benommenen Mädchen womöglich geschadet hätte.
Unmittelbar vor der fetten Königin blieb er stehen. Aus der Nähe war sie noch abstoßender. Bei jedem Atemzug geriet ihr Fett ins Wabbeln. Ein feuchter unnatürlicher Geruch umgab sie.
Sie faßte mit ihrer grotesken Hand nach ihm. »Ja, deine Königin wird sich deiner einmal bedienen, jetzt – und nach ihr keine Frau mehr.«
Jetzt war eine Mißdeutung ihrer Absichten nicht mehr möglich. Var handelte. Er drehte sich blitzschnell zu seinen Bewacherinnen um, packte ihre Waffen und stieß damit die Frauen zu Boden. Er bekam den Griff eines Kampfbeiles zu fassen und hob die Klinge gegen die Königin.
Die Posten wichen zurück, denn auch seine Absicht war nicht mißzuverstehen. Er hätte den Schädel der Königin spalten können, noch ehe sie Hand an ihn legen konnten.
»Bringt sie her!« rief Var und wies auf Soli. Hoffentlich würden sie nicht auf die Idee kommen, seine Drohung zu erwidern, indem sie Soli bedrohten.
Bogen wurden hochgenommen, Pfeile auf ihn gerichtet. Var hielt das Beil mit beiden Händen über der Königin. Auch wenn ein Dutzend Pfeile ihn durchbohrten, würde er sie mit sich in den Tod nehmen.
Soli kam zu ihm, geschwächt zwar, aber immerhin auf eigenen Beinen. Ihre zwei Stöcke hatte sie immer noch. Sie waren von ihren Bewachern unbemerkt geblieben.
Da blitzte etwas auf. Var sprang zurück, als die Königin mit ihrem juwelenbesetzten Stilett auf ihn losging.
In diesem Augenblick der Verwirrung sah Var die Pfeile auf sich zukommen. Einer streifte sein Bein. Die Kriegerinnen kamen drohend näher.
Wutentbrannt sprang Var die Königin an und spaltete ihr den Schädel, das Beil mit beiden Händen schwingend. Ein Schreckensschrei erhob sich. Hinzusehen brauchte Var gar nicht. Ein Blick auf die blutige Klinge sagte alles.
Er packte Solis Arm und hechtete mit ihr in die anschließende Kammer gleich hinter dem Thron. Erst folgte ihnen niemand. Die Frauen waren noch geschockt vom Tod der Brut-Königin.
Eine Leiter war zur Hand. »Klettern!« rief er Soli zu, und sie kletterte wortlos hoch. Var blieb mit dem Beil in der Hand stehen, bereit, einen Angriff abzuwehren. Er war sicher, daß ihm selbst nicht die Chance bleiben würde, hochzuklettern.
Und dann, als die aufgebrachten Amazonen näher rückten, hieb er auf die Halterungen der Rohrgeflecht-Tür ein. Die Tür sank zusammen, und der darunterliegende Boden sackte ab. Er hackte weiter, bis ein ganzer Materialhaufen ihn vor den Verfolgern schützte. Dann sprang er zur Leiter.
Soli erwartete ihn bereits auf der nächsten Etage. »Wo sind wir?« fragte sie jämmerlich.
»In einem Ameisenbau!« keuchte er und zog sie durch die nächste Tür. »Ich habe eben die Ameisenkönigin getötet!«
Sie kamen nun in den zweiten großen Raum. Hier saßen Männer und flochten Körbe. Nackt, schwammig – Var sah sofort, daß es Kastraten waren. Kein Wunder, daß die Frauen von dem so überraschend aufgetauchten männlichen Wesen fasziniert waren. Sie bekamen nur selten einen nicht verstümmelten Mann zu sehen!
So harmlos, ja mitleiderregend diese
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