Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen
Nomadenkultur und war allein immer noch am besten dran. Sobald Soli die Ausbildung hinter sich hatte, wollte er jeglicher Zivilisation den Rücken kehren und wieder völlig wild, dafür aber glücklich werden. Doch dann dachte er an Soli und da wußte er, daß er sich belog. Er würde niemals glücklich sein ohne sie, ob sie nun Kind war oder Frau.
XVIII
»Ich habe herausbekommen, wessen Männer sich hier den ganzen letzten Monat versammelten«, sagte der Alte.
Im Laufe eines Jahres hatte Var gelernt, sich mit ihm zu verständigen, obwohl er noch nie Gelegenheit gehabt hatte, zu erfahren, wie der Mann hieß. Er steckte immer voller Klatsch, und Var war daran uninteressiert. Er hatte selbst die Truppen gesehen und gewußt, daß es sich um die Vorhut einer Person von königlichem Rang handeln mußte. Die meisten hier auf der Schule untergebrachten Mädchen waren edlen Geblütes, und es galt als Zeichen von Ansehen, stilvoll mit einem bewaffneten Gefolge von der Schule abzugehen, auch wenn das Gefolge zu diesem Zweck eigens gemietet werden mußte. Oft kamen die Leute schon vor dem Schlußexamen, und die Schule bot gegen Ende des Schuljahres den Anblick eines Heerlagers. Var war einigen Kriegern im freundschaftlichen Zweikampf mit den Stöcken entgegengetreten, doch die meisten trugen Feuerwaffen.
»Die Männer in der Goldlivree«, sagte der Alte, die schwindende Aufmerksamkeit seiner begrenzten Zuhörerschaft ahnend. »Die mit niemandem sprechen und auf einem eigenen Feld üben.«
Diese Krieger waren auch für Var hochinteressant. Niemand wußte, welchem Herrn sie dienten oder bei welchem Mädchen sie Ehrendienst versehen würden. Es waren ihrer zwanzig, in prächtigen Uniformen. Und es waren Elitetruppen. Var hatte sie heimlich bei ihren Übungen beobachtet.
Kaum merkte er, daß Vars Interesse erwachte, legte der Alte los. »Sie dienen Kaiser Ch’in. Sicher hat er sich wieder eine Braut erwählt.«
Var war gebührend beeindruckt. Ch’in hatte die größten der rivalisierenden Königreiche des Südens in seiner Gewalt. Mittels politischer Intrigenspiele und klugen Einsatzes von Truppen hatte er in der letzten Zeit seine Einflußsphäre beträchtlich erweitern können. So wie der Herr in Amerika ein Imperium errichtet hatte, so hatte dieser Mann hier in China eines geschaffen, wenn es auch nicht so groß war wie das Reich des Herrn und auch nicht die Gegend umfaßte, in der diese Schule lag. Er hatte bereits etwa dreißig Frauen und war dennoch ständig auf der Suche nach hübschen Mädchen oder politisch einträglichen ehelichen Verbindungen. Offensichtlich war sein Auge auf eine der Schülerinnen gefallen, und er wollte sichergehen, daß sie bis zu seiner Ankunft wohlbehütet blieb.
Das alles ging Var nichts an. Er hoffte, Soli würde die Lehre erfolgreich abschließen und in einen wohlhabenden Haushalt einziehen. Sodann wollte er sich ins Ödland zurückziehen. Er würde es sehr bedauern, daß er sie nicht wiedersehen konnte, unendlich bedauern, doch er hatte diese schwere Entscheidung damals getroffen, als er sie in die Schule brachte. Mit der Zeit würde sie ihr Glück finden, und das war das wichtigste. Die Kindheit lag hinter ihr, und er war Teil dieser Kindheit.
Die Vorsteherin ließ ihn kommen. »Ich habe gute Nachrichten für dich«, sagte sie und sah ihn an, als sei mit diesen Nachrichten auch eine dunkle Seite verknüpft. »Wir haben für deinen Schützling eine Bleibe gefunden.«
Diese Neuigkeit zerstörte ihn am Boden. Und plötzlich wurde ihm klar, was die Vorsteherin vielleicht von Anfang an gewußt hatte: Daß er nämlich gar nicht wollte, daß Soli einen Freier fand.
Er konnte sie jetzt nicht freiwillig aufgeben, allen seinen Plänen und Absichten zum Trotz.
»Immerhin wolltest du das«, rief sie ihm sanft ins Gedächtnis.
»Ja.« Wie betäubt nickte er.
»Und wie in solchen Fällen üblich, wird das Geld für ihre Erziehung zurückerstattet. Wir werden es dir anstatt eines Lohnes für das vergangene Jahr geben. Ein hübsches Sümmchen, wie du sehen wirst.«
Var konnte ihr nicht leicht folgen. »Ihr verlangt nichts für ihre Ausbildung?«
»Und ob wir etwas verlangen! Wir sind kein Wohltätigkeitsverein. Aber nun hat eben ein anderer die Deckung der Unkosten übernommen. Du brauchst es nicht mehr zu tun, obgleich wir mit deiner Arbeit sehr zufrieden waren. Wenn sie uns verläßt, schulden wir dir Geld.«
»Wer… warum?«
»Der Herr, der sie heiratet, natürlich.« Wieder dieser
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